Stimmungsumschwung könnte Kapitalmärkte für diese Länder aber wieder rasch zumachen
Ungarn: Unberechenbare Wirtschaftspolitik
Die umstrittene Wirtschaftspolitik der Regierung Viktor Orbans manövriert Ungarn bei internationalen Investoren zusehends ins Abseits. Dabei hätte das Land, das nun schon im zweiten Jahr in Folge in einer Rezession steckt, Investitionen dringend nötig. Während die Inlandsnachfrage nun schon seit sechs Jahren praktisch im Stillstand verharrt, schwächelt jetzt – aufgrund der Wirtschaftseintrübung in der Euro-Zone, dem wichtigsten Exportmarkt Ungarns – auch der Auslandskonsum merklich. Internationale Banken ziehen aufgrund steuerlicher Nachteile kontinuierlich Geld ab. Einzig bei den Budgetzahlen – das Defizit liegt unter 3 % – zeigt sich Ungarn als einer der regionalen Musterschüler. Während internationale Marktplayer ebenso unabsehbar wie radikal mit Steuern oder Marktregulierungsmaßnahmen belegt werden – wie zuletzt (ausländische) Energieversorger mit der Vorschreibung von Strom- und Gaspreissenkungen bei Haushalten um rund 10 % – versucht die Regierung, Sparprogramme im Inland aus mangelnder Popularität tunlichst zu vermeiden. Deshalb gibt es auch keinen Fortschritt in den Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), bei denen es für Ungarn um ein Stand-by-Abkommen von 15 bis 20 Mrd. Euro geht und die vorläufig aufgrund mangelnder Kompromissbereitschaft Ungarns auf Eis gelegt wurden. Für die Refinanzierung seiner Auslandsverbindlichkeiten setzt das Land nun auf internationale Investoren und wie sich zeigt, erweist sich das aktuelle Marktumfeld als dafür günstig, denn Staatsanleihen-Investoren sind auf der Suche nach attraktiven Renditen. Über den Verkauf der ersten Bonds in einer ausländischen Währung hat Ungarn vor wenigen Tagen 3,25 Mrd. Dollar eingesammelt, und auch bevorstehende Emissionen könnten vom Markt gut angenommen werden.
Sorgen bereitet den Marktteilnehmern vor allem das Risiko einer deutlich expansiveren Geldpolitik, zu der es unter einem neuen Notenbank-Gouverneur kommen könnte. Bereits in den letzten Wochen hat sich die Währung deutlich abgeschwächt. Eine gewisse wirtschaftliche Stabilität ist für Ungarn aber unerlässlich und bei einer massiven Verschlechterung des internationalen Risikosentiments wird auch die Währung wieder unter Druck geraten. Eine schwache Währung hätte aber unter dem Gesichtspunkt vieler offenstehender Fremdwährungskredite negative Rückkoppelungseffekte auf das Wirtschaftswachstum. Das ist auch den Notenbänkern Ungarns klar, deren Spielraum, die Leitzinsen bei einem aktuellen Stand von 5,50 % weiter zu senken, zusehends enger wird. Ein gutes Einvernehmen zwischen Notenbank und Regierung wäre einer positiven Wirtschaftsentwicklung sicher förderlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass die im März anstehende und öffentlich heftig diskutierte Nachbesetzung des Gouverneurs, aus dem (erweiterten) Umfeld Viktor Orbans erfolgt, gilt als ausgemacht.
Mit der nun erfolgten Anleihenplatzierung konnte ein Teil des Schuldendienstes gesichert werden, doch bleibt Ungarn aufgrund des geringen Vertrauens langfristiger Investoren stark den Stimmungsschwankungen der Kapitalmärkte exponiert. Sollte es eng werden, werden Orban wenig Alternativen zur Wiederaufnahme der Verhandlungen mit dem IWF bleiben.
Ukraine im wirtschaftlichen Spannungsfeld zwischen Russland und der Europäischen Union
Die Agenda der ukrainischen Politik wird wohl auch im laufenden Jahr im Zeichen außenwirtschaftlicher Fragen rund um das Thema Erdgas stehen. Während Russland die Ukraine darauf drängt, der mit Weißrussland und Kasachstan gebildeten Zollunion, der „Eurasischen Union“, beizutreten, und als stärkstes Druckmittel den 2009 verhandelten, sehr hohen Erdgaspreis des staatlichen Gaskonzerns Gazprom an seinen weltweit größten Abnehmer, die Ukraine, einsetzt, will die Ukraine selbst ihre Unabhängigkeit bewahren und sich die Option eines Beitritts in die Europäische Union nicht verstellen. Seit vergangenem Jahr fließen erstmals auch Erdgaslieferungen von Deutschland über Polen in die Ukraine. Lieferungen, die vom Umfang her zwar sehr klein, aber doch wesentlich billiger sind und zuverlässig erfolgen. Doch bis ausreichend neue Gaslieferanten gefunden sind, wird noch viel Zeit vergehen und Russland macht Druck, denn der auf zehn Jahre abgeschlossene Vertrag sieht vor, dass die Ukraine auf jeden Fall bezahlen muss, auch wenn sie kein Erdgas abnimmt (take or pay). Die Beziehungen zur EU sind ebenfalls nicht konfliktfrei: Zwar liegt ein Assoziationsabkommen fertig auf dem Tisch, aber die politische Entwicklung und die rechtliche Vorgehensweise gegen Oppositionspolitiker wie etwa Julia Timoschenko stehen einer Annäherung im Wege. Die Lösung der Energiefrage ist aber Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit der Ukraine.
Auch in Zusammenhang mit den aktuellen Verhandlungen mit dem IWF spielen die Energiepreise ein zentrale Rolle: Der internationale Geldgeber verlangt als wichtigste Forderungen eine Anhebung der Gas- und Heizungstarife für private Haushalte sowie die Aufgabe der Wechselkursfixierung zum US-Dollar. Letzteres impliziert sowohl eine kurzfristige Abwertung als auch die Etablierung eines neuen, flexibleren Wechselkurssystems. Diese Maßnahme würde mittelfristig zu einer Verringerung des Leistungsbilanzdefizits und zur Stabilisierung der Währungsreserven beitragen. Außerdem könnte dann die Geldpolitik expansiver werden und Banken könnten wieder die Realwirtschaft mit Krediten versorgen. Beide Forderungen werden von der Ukraine allerdings als wenig opportun betrachtet und so hofft das Land, fällig werdende Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber dem Ausland über den Kapitalmarkt bedienen zu können. Dieser Plan könnte im aktuellen Marktumfeld sogar aufgehen, denn das Land bietet hohe Renditen. Die Frage ist nur, wie lange, denn auf Dauer können derart hohe Zinsen bei den Geldgebern nicht bedient werden. Eine Einigung mit dem IWF wäre daher sicherlich die vernünftigere Lösung.
Im Vorfeld der Parlamentswahlen ist die Ukraine in eine makroökonomische Schieflage mit fallendem Wirtschaftswachstum und rapid steigendem Leistungsbilanzdefizit geraten. 2012 konnte die Nationalbank ihr Ziel eines stabilen Wechselkurses mit einer Kombination aus administrativen und marktbezogenen Maßnahmen erreichen. Dieser Erfolg hatte allerdings einen hohen Preis: Erstens verlor die Nationalbank 2012 durch die Unterstützung der schwächelnden Währung beinahe ein Viertel ihrer Fremdwährungsreserven (USD 7,3 Mrd.). Und zweitens sorgte der zunehmende Abwertungsdruck auf die Landeswährung im zweiten Halbjahr 2012 für eine anhaltende Belastung des Geldmarktes. Infolge der außergewöhnlich hohen Zinsen sind die Kreditaktivitäten praktisch zum Erliegen gekommen, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Autor: Ronald Schneider, Leiter der Abteilung Global Emerging Markets und Eastern Europe (Fixed Income) bei Raiffeisen Capital Management
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