«Nachdem Nizza kürzlich Gastgeber der Ozean-Konferenz der Vereinten Nationen (UNOC 2025) war, ist eines klar: Die Umgestaltung unserer Wirtschaft durch Investitionen in die Natur ist der Weg, um die Ursachen der Klima-Biodiversitäts-Krise zu bekämpfen», schreibt Marc Palahi, Chief Nature Officer, Lombard Odier Gruppe.
«Die Umweltkrise kann nur gelöst werden, wenn wir die Natur als das verstehen, schätzen und in sie investieren, was sie im Grunde ist: der wahre Motor unserer Wirtschaft», schreibt Palahi.
Die Natur sei die wichtigste Infrastruktur zur Regulierung des Planetensystems. Sie sei das Gefüge, das alle Lebensprozesse sowie alle wirtschaftlichen Aktivitäten unterstütze. «Da die Ursachen des Problems systemisch sind, ist es dringend notwendig, auf die Umweltkrise zu reagieren, indem wir unsere Wirtschaft grundlegend verstehen, überdenken und umgestalten und dabei die Natur in den Mittelpunkt stellen», schreibt der Chief Nature Officer.
Insbesondere dem Finanzsektor komme eine Schlüsselrolle zu, vor allem durch die Ernennung von Chief Nature Officers (CNOs). Die Aufgabe eines CNO bestehe darin, eine neue, wissenschaftlich fundierte Vision zu vermitteln, damit finanzielle und politische Entscheidungsträger die heutige Welt im Rahmen der planetaren Belastungsgrenzen, innerhalb derer sie agieren muss, verstehen können. Der Finanzsektor müsse die Naturgesetze verstehen, die unseren Planeten steuern und die wiederum unsere wirtschaftlichen Aktivitäten beeinflussen.
«Die Natur ist das höchste und wertvollste Gut, das wir besitzen. In den letzten zwei Jahrhunderten hat unser Wirtschaftssystem, das auf der Gewinnung von Rohstoffen und fossilen Brennstoffen beruht, der Natur, dem Klima und unserer eigenen Zukunft geschadet. Wir haben nun einen Wendepunkt erreicht, an dem mehrere planetarische Grenzen überschritten wurden (Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt, Umweltverschmutzung, Bodendegradation, Entwaldung usw.). In wirtschaftlicher Hinsicht bedeutet dies, dass unsere Umwelt die durch unsere Wirtschaft verursachten Belastungen nicht länger auffangen kann und dass unsere Wirtschaft – da sie den Wert der Natur verkannt hat – nun die Kosten für deren Zerstörung tragen muss», schreibt der Experte.
Dies spiegle sich bereits darin wider, dass sich die versicherten Schäden im Zusammenhang mit dem Klimawandel und dem Niedergang der Ökosysteme weltweit in den letzten zehn Jahren im Vergleich zur vorherigen Dekade verdoppelt haben. Gleichzeitig stehen mehrere Lieferketten kurz vor dem Zusammenbruch – verursacht durch die kombinierten Auswirkungen des Klimawandels und der Zerstörung der Natur.
Die Preise für Kaffee und Kakao beispielsweise haben in den letzten beiden Jahren Rekordhöhen erreicht. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Howden schätzt, dass extreme Wetterbedingungen die EU bereits rund 28,3 Milliarden Euro an Ernte- und Viehverlusten kosten (das entspricht 6 Prozent der gesamten Nahrungsmittelproduktion). Diese Verluste könnten sich bis 2050 bei einem Business-as-usual-Szenario auf rund 90 Milliarden Euro belaufen.
Ein CNO hat die Aufgabe, diese Folgen und Wechselwirkungen einzuordnen und auch naturbasierte Lösungen vorzuschlagen, um die Situation umzukehren – durch die Finanzierung von Anpassung und Widerstandsfähigkeit heutiger und künftiger Unternehmen. CNOs müssten auch eine führende Rolle dabei übernehmen, eine neue Erzählung für finanzielle Interessengruppen zu entwickeln – einschliesslich der Kunden und Pensionäre, in der dargelegt wird, «warum und wie wir für eine lebenswerte Zukunft zu einer naturorientierten Wirtschaft übergehen sollten».
Sie müssten eine Katalysatorrolle für den Wandel spielen. «Sie werden jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn Teams und Organisationen im Finanzsektors bereit sind, Praktiken, Prozesse und Strukturen zu überdenken und zu ändern, um die beispiellose systemische Herausforderung zu bewältigen, vor der wir stehen», erläutert er.
Die UNOC 2025 betonte, dass der Schutz der Ozeane nicht nur für das Klima und die biologische Vielfalt unerlässlich ist, sondern auch, um die Lebensfähigkeit der Meereswirtschaft zu gewährleisten. Verheerende Fangmethoden wie der Grundschleppnetzfang haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Meeresökosysteme. Sie erschöpften auch die Fischbestände und schwächten die Fähigkeit der Meere, eine Vielzahl von Ökosystemleistungen zu erbringen – darunter Anpassung und Widerstandsfähigkeit gegenüber den zunehmenden Auswirkungen klimabedingter Risiken.
In diesem Zusammenhang müssten der private und der öffentliche Sektor den Übergang zu nachhaltigeren Fischereipraktiken unterstützen und die Rolle der Kleinfischer stärken, die Biodiversität schützen und klimabezogene Dienstleistungen fördern.
«Wir treten nicht nur in eine Ära des Wandels ein, sondern erleben einen Wandel der Ära. Die Natur ist der Grundstein, der alle anderen Vermögenswerte zum Funktionieren bringt. Die Herausforderung für die CNOs besteht darin, dieses Verständnis im Finanzsektor zu fördern und hervorzuheben, dass die Natur nicht nur eine Anlageklasse oder eine Ressource ist, sondern die wichtigste Infrastruktur, die das Funktionieren unserer Wirtschaft ermöglicht. Wir müssen sie verstehen, wertschätzen und in sie investieren, um unsere Wirtschaft umzugestalten, anstatt ihre Versäumnisse durch Ausgleichsmassnahmen zu kompensieren. Wir sind ein integraler Teil der Natur; unsere Wirtschaft muss dies widerspiegeln», so das Fazit.