«Der Handelskonflikt dürfte sich noch über eine längere Zeit hinziehen»

17.04.2025 13:03

«Eine vollständige Entkopplung zwischen den USA und China wäre zwar extrem belastend für die Weltwirtschaft, doch gegenwärtig ist kaum ersichtlich, wie ein realistischer Ausweg aus dem aktuellen Patt aussehen könnte», sagt Garrett Melson, Portfolio Strategist bei Natixis Investment Managers Solutions im Interview.

Garrett Melson, Portfolio Strategist bei Natixis Investment Managers Solutions über die Auswirkungen des Zollstreites. (Bild pd)
Garrett Melson, Portfolio Strategist bei Natixis Investment Managers Solutions über die Auswirkungen des Zollstreites. (Bild pd)

Die chinesischen Exporte haben im März überraschend stark zugelegt. Müssen wir davon ausgehen, dass sie in den kommenden Monaten wieder zurückgehen – wegen der Auswirkungen von Donald Trumps Zöllen? Und ist auch mit einem Rückgang bei den US-Exporten zu rechnen, falls China entsprechend reagiert?
Garrett Melson
: Seit mehreren Monaten beobachten wir eine klare Zunahme sogenannter Tarif-Vorzieheffekte. Und das gilt nicht nur für China – auch andere exportorientierte Länder verzeichnen ähnliche Ausschläge. Irlands Exporte zum Beispiel sind bis Februar im Jahresvergleich um beeindruckende 210 Prozent gestiegen, weil Unternehmen eilig pharmazeutische Produkte in die USA geliefert haben. Auch aus den US-Konsumdaten geht hervor, dass die Nachfrage teilweise bewusst vorgezogen wurde, um drohenden Zöllen zuvorzukommen.

In den kommenden Monaten dürfte der Export in die USA jedoch spürbar nachlassen – aus mehreren Gründen. Erstens: Der starke Vorzieheffekt legt nahe, dass wir demnächst eine spürbare Lücke bei der Nachfrage erleben werden. Zweitens: Aufgrund der aktuell geltenden Zölle ist Handel in beide Richtungen kaum mehr wirtschaftlich sinnvoll – was zwangsläufig zu einem Rückgang auf beiden Seiten führen dürfte. Einige US-Firmen berichten bereits von vollständigen Stornierungen von Aufträgen. Falls die Zölle nicht rasch reduziert werden, wird sich dieser Trend wohl fortsetzen.

Was erwarten Sie langfristig?
Langfristig dürften Unternehmen alternative Beschaffungsmärkte mit tieferem Zollrisiko erschliessen – doch das braucht Zeit. Kurzfristig könnten gewisse Exporte via Drittstaaten mit tieferer Zollbelastung umgeleitet werden, um die Abgabenlast zu mildern. Das dürfte den Gesamtrückgang zumindest teilweise abfedern. Ausserdem mehren sich Hinweise auf Exportrestriktionen in beide Richtungen, was langfristig auch den Marktzugang für US-Firmen beeinträchtigen könnte. Unter den aktuellen Bedingungen ist davon auszugehen, dass der bilaterale Handel in den kommenden Monaten weiter zurückgeht.

Welche Veränderungen sind in den Handelsbeziehungen zwischen den USA und China zu erwarten – im Hinblick auf die wirtschaftspolitischen Kurswechsel beider Regierungen?
Diese Frage lässt sich derzeit kaum abschliessend beantworten. Inzwischen zeigt sich etwas mehr Klarheit in Bezug auf die Beweggründe hinter Trumps Zollpolitik. Was China betrifft, bleibt allerdings vieles unklar – sowohl in Bezug auf die Motivation wie auch auf die konkreten Ziele.

Was sich allerdings immer deutlicher abzeichnet, ist das Risiko einer weitgehenden wirtschaftlichen Entkopplung zwischen den beiden Ländern. Das liegt einerseits an der Strafwirkung der US-Zölle, andererseits an Chinas wachsendem Bestreben, wirtschaftliche Allianzen mit anderen Staaten zu vertiefen. Eine vollständige Entkopplung wäre zwar extrem belastend für die Weltwirtschaft – und somit eher unwahrscheinlich –, doch gegenwärtig ist kaum ersichtlich, wie ein realistischer Ausweg aus dem aktuellen Patt aussehen könnte.

Sind die aktuellen Zollsätze auf Dauer tragbar? Oder sollten sie in den nächsten Wochen oder Monaten reduziert werden? Wie lange könnte es dauern, bis eine Einigung erzielt wird – falls überhaupt?
Derzeit scheint keine der beiden Seiten bereit, den ersten Schritt zu machen. Die US-Regierung beginnt zwar, den Druck auf andere Handelspartner etwas zu entschärfen und sucht Allianzen, um den Druck auf China gemeinsam zu erhöhen – doch gegenüber Peking bleibt der Kurs konfrontativ.

Eine Entschärfung wäre an sich relativ einfach umzusetzen, da beide Seiten durch die derzeitigen Zölle wirtschaftlich geschwächt werden. Doch weder Trump noch Xi scheinen momentan daran interessiert, nachzugeben. Beide glauben offenbar, sich in einer vorteilhaften Position zu befinden. Zudem dürften sich die wirtschaftlichen Schäden erst zeitverzögert in den Zahlen niederschlagen, was zusätzlichen Handlungsdruck hinausschiebt.

Da Trumps Handelspolitik nun klar auf China fokussiert ist, ist kurzfristig kaum mit einer Deeskalation zu rechnen – es sei denn, der Markt reagiert stärker negativ. Und genau darauf könnte China spekulieren. Dank seiner grösseren wirtschaftlichen Flexibilität hat Xi mehr Spielraum, eine harte Linie zu fahren. Trotz vereinzelter Signale aus Peking, unter bestimmten Voraussetzungen gesprächsbereit zu sein, ist mittelfristig kaum mit einer Verbesserung der Handelsbeziehungen zu rechnen. Der Handelskonflikt dürfte sich noch über eine längere Zeit hinziehen.

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