Das Motto der Olympischen Spiele eignet sich perfekt zur Beschreibung der Herausforderungen, mit denen die Europäische Zentralbank (EZB) zurzeit konfrontiert ist.
Schneller, weil die Konjunktur dringend gebremst werden muss, damit die anhaltende Teuerung nicht aus dem Ruder läuft. Höher, weil die Leitzinsen, nachdem sie ein Jahrzehnt lang niedrig oder gar negativ waren, nun erstmals steigen. Stärker, weil das Ausmaß der in den vergangenen Monaten angekündigten Zinsanhebungen innerhalb eines so kurzen Zeitraums beispiellos ist: Mit 50 Bp. im Juli und 75 Bp. im Zuge der Sitzung am 8. September beläuft sich die Erhöhung auf insgesamt 1,25 % in nur knapp zwei Monaten und geht damit deutlich über die Ankündigungen vom Juni dieses Jahres hinaus.
Galoppierende Inflation in Europa
Dazu muss gesagt werden, dass die Lage äußerst dringlich ist. Im August stieg die Inflation für die gesamte Eurozone auf 9,1 % gegenüber dem Vorjahr. Zwar können einige Länder – insbesondere Frankreich (6,5 %) und Deutschland (8,8 %) – die Auswirkungen begrenzen, indem sie den Anstieg der Energiepreise teilweise durch Haushaltsmaßnahmen abfedern. Doch die meisten Länder sind mit einer galoppierenden Inflation von über 10 % konfrontiert, und in den drei baltischen Staaten ist sogar die Schwelle von 20 % überschritten.
Ein Preisschock von einem solchen Ausmaß erfordert also entsprechende Hilfsmaßnahmen. Dazu gehört auch die bewusste Inkaufnahme einer Konjunkturverlangsamung, da hier eine der Ursachen für den Inflationsdruck liegt. Die Aktualisierung der Wachstums- und Inflationserwartungen durch die EZB sprechen in dieser Hinsicht für sich. Die Zentralbank geht nämlich für 2023 erneut von einer Inflation von 5,5 % aus, was weit über ihrem mittelfristigen Ziel von 2 % liegt. Zugleich rechnet sie für 2023 derzeit nur noch mit einem Wachstum von 0,9 %. Gegenüber den noch zu Beginn des Sommers veröffentlichten 2,1 % wurden die Erwartungen somit deutlich nach unten korrigiert.
Fragwürdige staatliche Maßnahmen
Sowohl die Zentralbank als auch die Regierungen bekämpfen die Inflation, doch ihre Strategien gehen stark auseinander. Während die staatlichen Maßnahmen zur Abfederung des Energieschocks auf sozialer Ebene durchaus lobenswert sind, erscheinen sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eher fragwürdig. Indem die Regierungen die Energiepreise künstlich niedrig halten, sorgen sie für ein steigendes Defizit, wobei die Schuldenlast der Staaten schon jetzt hoch ist. Darüber hinaus machen sie einen Teil der Wirkung der Geldpolitik zunichte, indem sie die Kaufkraft der Haushalte stützen und die Energiekosten der Unternehmen senken. Unter dem Strich fördern sie damit die Nachfrage. Die Politik setzt implizit wahrscheinlich darauf, dass der Energieschock bald überwunden sein wird. Damit begeht sie denselben Fehler wie die Zentralbanken, die zunächst davon ausgingen, dass der aus der Gesundheitskrise erwachsene Inflationsschub nur vorübergehend sei.
Doch wie lange bleibt das noch so? Die Antwort könnte die EZB liefern. Denn wenn sie in die Fußstapfen der amerikanischen Notenbank (Fed) treten und ihre Bilanz in den kommenden Monaten verkürzen sollte, würde der dadurch verursachte Anstieg der Zinsen auf Staatsschulden die in vielen Ländern noch immer verfolgte „Whatever it takes“-Politik infrage stellen.
Am 13. September 2022 von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE