Schwellenländer-Aktien - Vorzeichen für Erholung stehen recht gut
Polen, Tschechien und Ungarn könnten überdurchschnittlich abschneiden
Globaler Überblick
Der September stand ganz im Zeichen deutlicher Kurserholungen auf den Aktienmärkten der Schwellenländer; sie schnitten dabei erstmals seit längerem wieder deutlich besser ab als die entwickelten Märkte. Der MSCI-Emerging Markets Index legte rund 6,5 % zu. Besonders gut entwickelten sich dabei beispielsweise türkische Aktien mit einem zweitstelligen prozentualen Zuwachs; auch russische Titel legten überdurchschnittlich stark zu – und das trotz rückläufiger Ölpreise. Die US-Notenbank (Fed) überraschte die meisten Marktteilnehmer mit ihrer Entscheidung, ihre Anleihekäufe bis auf weiteres doch in vollem Umfang beizubehalten. Offenkundig ist die Fed ganz und gar nicht angetan vom rasanten Zinsanstieg seit dem Frühjahr, der auf den Immobilienmärkten bereits zu einem deutlichen Abflachen der Dynamik geführt hat. Neben der Sorge um die insgesamt noch immer recht fragile US-Konjunktur dürfte auch der wieder einmal eskalierende Budgetstreit in Washington die Notenbank dazu bewogen haben, ihre Geldpolitik vorerst nicht zu straffen. Nachdem sich die Märkte für September/Oktober auf eine erste Reduzierung dieser Käufe (das so genannte tapering) eingestellt hatten, sorgte die Ankündigung für frische Aufwärtsimpulse auf Aktien- und Anleihemärkten vor allem der etablierten Industrienationen. Die Schwellenländerbörsen hingegen wurden – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – davon vergleichsweise wenig beeinflusst, was indirekt auch unsere Einschätzung bestätigte, wonach die Tapering-Diskussion nur eine untergeordnete Rolle bei den vorangegangenen Kursverlusten in den Emerging Markets spielte. Positiv auf die Aktien- und Devisenmärkte der Schwellenländer wirkte sich zweifellos auch die doch überraschende Entspannung in der Syrien-Krise aus, nachdem im Juli und August noch alles auf einen Militärschlag der USA und damit eine weitere Eskalation hingedeutet hatte.
Die in den Vormonaten zu beobachtenden Kapitalabflüsse aus den Schwellenländermärkten scheinen erst einmal zum Stillstand gekommen zu sein und die gegenüber den Industrienationen aufgebauten Bewertungsabschläge könnten in den kommenden Monaten wieder zu verstärktem Interesse und einer Rückkehr ausländischer Investoren führen. Generell stehen die Vorzeichen für eine weitere Erholung der Aktienmärkte in den Schwellenländern für die kommenden Monate recht gut. Vor allem die zentraleuropäischen Schwellenländer („CE3“ – Polen, Tschechien, Ungarn) könnten dabei erstmals seit langem überdurchschnittlich abschneiden. Dafür sprechen eine ganze Reihe von Argumenten: die vergleichsweise attraktiven Bewertungen, weiterer geldpolitischer Lockerungsspielraum der jeweiligen nationalen Notenbanken, eine stark verbesserte Leistungsbilanz und die Tatsache, dass diese Länder besonders stark von der immer wahrscheinlicher werdenden Konjunkturerholung der Eurozone profitieren sollten.
Auch bei Anleihen und Währungen der Schwellenländer könnte das schlimmste zunächst einmal überstanden sein. Größere Schwankungen sind aber auch in den kommenden Quartalen einzukalkulieren und Länder mit einer sehr defizitären Handels- bzw. Leistungsbilanz (beispielsweise Indien, Indonesien, Türkei) dürften dabei besonders gefährdet sein und entsprechend zurückhaltend werden sich wohl viele Investoren diesen Staaten gegenüber verhalten.
Länderfokus
China
Chinas Wirtschaftserholung setzt sich fort – allerdings unter Schwankungen. Es ist wahrscheinlich, dass zum Jahresende hin weitere kleinere wirtschaftliche Konjunkturpakete beschlossen werden und weitere Reformen bei der Unternehmensbesteuerung folgen, um private Unternehmen zu entlasten und den Arbeitsmarkt zu stützen.
Chinesische Aktien legten im September zu – allerdings im unterdurchschnittlich im Vergleich zum gesamten Schwellenländer-Universum. Chinesische Aktien sind attraktiv, wenn man Gewinnwachstum und Aktienbewertung betrachtet. Doch scheinen die Investoren noch auf eine Bestätigung zu warten, dass sich die Entwicklung vom vergangenen Jahr nicht wiederholt, als die wirtschaftliche Erholung im neuen Jahr abrupt endete. Insgesamt betrachtet dürfte der Weg des geringeren Widerstandes für chinesische Aktien in den kommenden Quartalen nach oben gerichtet sein. Die Anzeichen verdichten sich, dass bei chinesischen Aktien damit gegenwärtig auch langfristig eine Trendwende nach oben vollzogen wird.
Indien
Das verarbeitende Gewerbe in Indien sieht sich trotz zuletzt etwas besserer Zahlen weiterhin erheblichem Gegenwind ausgesetzt. Der entsprechende Einkaufsmanagerindex deutet zuletzt abermals auf ein leichtes Schrumpfen hin. Besorgniserregend ist, dass die Exportaufträge sogar noch stärker zurückgingen – trotz der deutlich gefallenen Währung. Auch im Dienstleistungssektor bietet sich ein negatives Bild. Eine schwache Auftragslage und ein angeschlagenes Investorensentiment machen ihm spürbar zu schaffen, zumal der Kostendruck weiterhin hoch bleibt. Angesichts der großen Bedeutung des Dienstleistungssektors für die indische Volkswirtschaft sind das wenig erfreuliche Entwicklungen. Allerdings gibt es auch Positives. Das Handelsbilanzdefizit ist stark zurückgegangen, was vor allem auf niedrigere und kostengünstigere Ölimporte zurückzuführen ist; jedoch halfen dabei auch gestiegene Exporte. Auch die Goldimporte fielen deutlich – die teilweise drakonischen Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung von Goldkäufen durch die Bevölkerung dürften hier Wirkung gezeigt haben. Das sollte die in diesem Jahr kräftig gefallene indische Rupie unterstützen. Diese erholte sich im September bereits deutlich; die ausgeprägte Währungsschwäche der letzten Monate sollte damit erst einmal ausgestanden sein. Ein starkes Indiz dafür ist die Rücknahme einiger Notmaßnahmen seitens der Notenbank, die sie zuvor zur Stützung der Währung vorgenommen hatte und die Bereitstellung zusätzlicher Liquidität.
Das sollte auch den Aktienmarkt beflügeln. Die indische Börse beendete den Monat mit einem kräftigen Plus von rund 4 %. Ausländische institutionelle Anleger traten erstmals seit 3 Monaten wieder als Nettokäufer auf.
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Brasilien
Die brasilianische Volkswirtschaft wuchs im 2. Quartal wieder etwas stärker, wobei vor allem die Investitionstätigkeit und die Produktion von Kapitalgütern anstiegen. Schwächer als in den letzten Jahren entwickelte sich hingegen erneut der private Konsum, doch das ist auch kaum anders zu erwarten. Brasiliens private Haushalte haben in den letzten Jahren stark auf Pump konsumiert und stoßen hier schlicht an eine Grenze. Es ist davon auszugehen, dass auch in den kommenden Quartalen daher unterdurchschnittliche Wachstumsraten beim privaten Konsum zu sehen sein werden. Die Inflation ging zuletzt leicht zurück, dürfte aber in den nächsten Monaten wieder anziehen, wenn sich zeitverzögert die Auswirkungen der Währungsabwertung bemerkbar machen. Angesichts dessen könnte es auch noch zu mindestens einer weiteren Zinsanhebung der Notenbank von derzeit 9 % auf 9,5 % kommen. Positiv ist in dem Zusammenhang aber sicherlich zu werten, dass der brasilianische Real sich zuletzt wieder erholen konnte.
Der Aktienmarkt konnte nach dem positiven Augustverlauf erneut zulegen und verbuchte ein Plus von über 4 %. In den kommenden Monaten könnten weitere Kurserholungen folgen; allerdings ist auch mit fortgesetzten Störfeuern von der Währungsseite zu rechnen.
Russland
Russlands Wirtschaft verliert weiter an Dynamik; das Wachstumsbild hat sich in den letzten Quartalen kontinuierlich abgeschwächt. Technisch gesehen befindet sich das Land nach zwei Quartalen einer leicht schrumpfenden Wirtschaftsleistung in einer Rezession; doch für das Gesamtjahr ist dennoch mit einem positiven Wachstum zu rechnen. Die Notenbank ließ die wichtigsten Zinssätze erwartungsgemäß auch im September unverändert, kündigte allerdings eine Umstellung auf den wöchentlichen Repo-Satz als für die Geldpolitik relevanten Zinssatz an. Diese Umstellung hat keine gravierenden Auswirkungen auf die Liquidität und dient der Vereinfachung der Geldpolitik. Die Zentralbank verwies in der Sitzung ein weiteres Mal auf wirtschaftliche Schwächetendenzen und niedrigere Inflationsrisiken im 2. Halbjahr. Gleichwohl ist die aktuelle Inflationsrate (+6,1 % p.a.) noch deutlich zu hoch, so dass die Notenbank bislang nur begrenzten Spielraum für Zinssenkungen hat.
Nach der Schwäche in den Vormonaten konnte der Rubel in September von der allgemeinen Verbesserung der Investorenstimmung profitieren und legte zu. Auch die Anleiherenditen folgten dem weltweiten Trend und gingen im September zurück. Der Aktienmarkt legte im Vergleich zu den anderen Emerging Markets überdurchschnittlich stark zu und stieg um rund 7 % – trotz eines rückläufigen Ölpreises. Vor allem der Gasriese Gazprom trug mit einem zweistelligen prozentualen Kursgewinn dazu bei.
Türkei
Die Türkei ist aufgrund der schwachen externen Position und der starken Abhängigkeit von ausländischen Kapitalzuflüssen in den letzten Monaten eines der am stärksten negativ betroffenen Schwellenländer. Die Höhe des Leistungsbilanzdefizits ist zwar schon seit längerem die Achillesferse des Landes, doch erst mit der abrupten Trendwende bei den Kapitalflüssen in die bzw. aus den Emerging Markets ist diese Anfälligkeit der Türkei wieder verstärkt ins Blickfeld gerückt. Die Notenbank vollzog seitdem zwei Erhöhungen der oberen Grenze des Korridors für die kurzfristigen Zinsen, um die Währung zu stabilisieren. Weitere Schritte sind derzeit allerdings nicht in Sicht, da sonst die Konjunktur zu stark leiden könnte. Im September beruhigte sich die Situation auf den globalen Märkten, was türkischen Anleihen zugute kam, die sich im Zuge dessen deutlich erholten.
Das gilt auch für den Aktienmarkt, der noch im August ein zweistelliges Minus verzeichnet hatte und diesen Verlust im September aber mehr als aufholte. Eine Rolle sowohl bei den vorangegangenen Verlusten als auch der nachfolgenden Erholung spielte sicherlich die Situation rund um das Nachbarland Syrien. Die dort einsetzende Entspannung beflügelte türkische Aktien zusätzlich.
Polen
In Polen gibt es mittlerweile wieder überwiegend positive Konjunktursignale. Industrieproduktion und Einzelhandel entwickeln sich wieder besser, die Reallöhne bieten Unterstützung und auch die Verkaufsmanager-Umfragen deuten auf eine positivere Konjunkturdynamik hin. Zugleich ist die jährliche Inflationsrate weiterhin auf dem sehr niedrigen Niveau (1,1 %). Die Zentralbank hat den Leitzins Anfang Oktober erwartungsgemäß nicht verändert. Bemerkenswert sind die im September bekanntgegebenen Details zur Pensionsreform. Der Anleiheteil der privaten Pensionsvorsorge wird vom Staat übernommen und reduziert auf diese Weise die Staatsverschuldung um ca. 8 % des BIP. Letztere liegt derzeit bereits über der in der Verfassung verankerten Grenze von 55 % des BIP. Das würde rasche budgetäre Konsequenzen erfordern – die mit der Pensionsreform zunächst vermieden werden könnten. Die Reform weist gewisse Parallelen mit der Pensionsreform in Ungarn auf, ist aber bei weitem nicht so radikal. Für den Anleihenmarkt wird das längerfristig eher negative Auswirkungen haben, da ein wichtiger Marktteilnehmer damit ausfällt. Allerdings hat die Erfahrung in Ungarn gezeigt, dass das längerfristig verkraftbar sein kann. Die unmittelbare Reaktion war jedenfalls negativ, sowohl auf der Anleihen- als auch auf der Währungsseite; sie war allerdings nur von kurzer Dauer. Im Laufe des Septembers fanden polnische Anleihen mit der besseren Investorenstimmung Unterstützung und stiegen mit dem Gesamttrend mit. Der Aktienmarkt geriet Anfang September massiv unter Druck, erholte sich später jedoch wieder und schloss den Monat nahezu unverändert. Mittel- und langfristig dürfte der Trend aber weiter nach oben zeigen.
Tschechische Republik
Tschechiens jüngste Konjunkturdaten deuten auf eine Belebung der Konjunktur nach rund zwei Jahren Rezession, vorwiegend gestützt durch einen robusten Außenhandel. Die Industrieproduktion zeigt eine positive Tendenz, aber auch die binnenwirtschaftliche Dynamik verbessert sich und die Einzelhandelsumsätze bieten zunehmend Unterstützung. Auch für die kommenden Monate stehen die Vorzeichen aufgrund der gestiegenen Neuaufträge gut. Die Inflation ist mit derzeit 1,3 % gegenüber dem Vorjahr kein Grund zur Besorgnis. Die Anleiherenditen folgten dem Grundton der deutschen Staatsanleihen und legten zu. Die Krone tendierte ebenfalls fester und mit der Verbesserung der Konjunkturdaten nimmt die Rhetorik der Zentralbank zur Währungsschwächung mittlerweile ab. Der Aktienmarkt in Prag legte im September leicht zu und verbuchte ein Plus von rund 1,5 %.
Ungarn
In Ungarn bleibt die Inlandsnachfrage anhaltend schwach; dafür kommt aber Unterstützung vom Außenhandel. Die ungarische Notenbank senkte Ende September den Leitzins wie allgemein erwartet um weitere 0,2 %-Punkte auf nunmehr 3,6 %. Seit Mitte 2012 wurden die Zinsen damit bereits um 3,4 % nach unten genommen. Ungarische Anleihen profitierten davon wie auch vom allgemeinen Rendite-Trend und auch der Forint zeigte eine ähnlich positive Entwicklung wie der Zloty – ein Zeichen dafür, dass aktuell vor allem externe Faktoren die Währungen der Region treiben und landesspezifische Themen eine untergeordnete Rolle spielen. Die Regierung arbeitet weiterhin an Maßnahmen, um Hypothekenschuldner mit Fremdwährungskrediten weiter zu entlasten. Der ungarische Aktienmarkt stieg im Einklang mit der weltweiten Tendenz um rund 2,5 %, entwickelte sich damit allerdings deutlich schwächer als der Durchschnitt der Schwellenländer.
Angelika Millendorfer, Leiterin Team Emerging Markets Aktien
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