Neuberger Bermann: Disruptive Trends sprechen für Rohstoffe

28.10.2025 16:21

Ein Engagement in Rohstoffen könnte dazu beitragen, diversifizierte Portfolios an eine sich wandelnde Welt anzupassen – acht Trends erklären warum.

Rohstoffe wie Kupfer könnten in den Portfolios eine zunehmend wichtige Rolle spielen. (Bild: Shutterstock.com/Flegere)
Rohstoffe wie Kupfer könnten in den Portfolios eine zunehmend wichtige Rolle spielen. (Bild: Shutterstock.com/Flegere)

Die Argumente für Rohstoffe spiegeln sich in folgenden acht transformativen Trends wider, schreibt Hakan Kaya, Senior Portfolio Manager bei Neuberger Berman:

1. Demografie: Weniger Arbeitnehmer, mehr Konsumenten

Die Bevölkerungspyramide flacht ab. Während früher sieben Arbeitnehmer jeden Rentner unterstützten, bewegt sich die USA nun in Richtung eines Verhältnisses von etwa 2,5, was eine tiefgreifende Veränderung der „Unterstützungsquote” darstellt. Dies hat zwei Auswirkungen: Erstens könnte eine wachsende, wohlhabendere Rentnergruppe eine wichtige und dauerhafte Quelle für den Konsum sein – unter anderem von Kraftstoff, Lebensmitteln, Gesundheitsversorgung und Reisen. Zweitens hat sich der Arbeitskräftemangel verschärft, was langfristig zu höheren Löhnen führen könnte.

2. Verschuldung: Übermässige Ausgaben erhöhen das systemische Risiko

Die weltweite Verschuldung, sowohl öffentlich als auch privat, wächst rasant, ohne dass Anzeichen für eine Eindämmung erkennbar wären. Die Politik verfolgt zunehmend einen Ansatz nach dem Motto „Erst leihen, dann sorgen“, indem sie als Reaktion auf wirtschaftliche und politische Herausforderungen die Defizite ausweitet und Verbindlichkeiten anhäuft. Jahrelang haben die traditionellen Aktien- und Anleihemärkte diese Risiken weitgehend ignoriert, gestützt durch die Unterstützung der Zentralbanken und das Vertrauen der Anleger in das künftige Wachstum. Aber mit dem Anstieg der Schuldenquoten und der Erosion der Haushaltsdisziplin wächst das Risiko einer Marktkorrektur, die möglicherweise zu einer gleichzeitigen Schwäche von Aktien und Anleihen führen könnte – ein Phänomen, das zuvor in Zeiten von Inflation und Zinsvolatilität zu beobachten war.

In einem solchen Umfeld könnten Rohstoffe eine herausragende Rolle spielen. Im Gegensatz zu Aktien und Anleihen, die Ansprüche auf zukünftige Cashflows darstellen und naturgemäss von der Solvenz und Glaubwürdigkeit der Emittenten abhängig sind, repräsentieren Rohstoffe einen realen, greifbaren Wert, der nicht durch Schulden oder zukünftige Verpflichtungen belastet ist. Wenn die fiskalische Überlastung zu gross wird, um sie zu ignorieren, und traditionelle Risikoanlagen neu bewertet werden, können Rohstoffe als Puffer dienen und Schutz vor Inflation bieten, wenn dies am dringendsten benötigt wird.

3. Deglobalisierung: Mehr Reibungen, höhere Kosten

Der lange Bogen der Globalisierung – und der immer freiere Fluss von Waren, Kapital und Ideen – hat sich in Richtung Fragmentierung geneigt. Weniger Handelsabkommen, mehr Investitionsbeschränkungen und eine geringere Handelsöffnung signalisieren ein neues Regime, und die derzeitige Politik der USA mit umfassenderen Zöllen, strengeren industriepolitischen Massnahmen und strengeren Exportkontrollen könnte diese Trends noch beschleunigen. Zölle sind von Natur aus inflationär, erhöhen die Inputkosten und können in großem Umfang das Wachstum dämpfen; künftige Vergeltungsmaßnahmen seitens Chinas und Europas verkomplizieren die Situation zusätzlich.

Produktion und Handel verschwinden jedoch nicht, sondern verlagern sich lediglich. Wir erwarten eine stärkere Regionalisierung, steigende Lagerbestände und „Friend-Shoring“, was allesamt rohstoffintensiv ist, da Unternehmen Kapazitäten duplizieren, Netze neu aufbauen und Rohstoffe sichern. Unterdessen bilden verschiedene ausländische Märkte ihre eigenen Handelsgruppen, was die Nachfrage nach Energie und Metallen außerhalb der USA potenziell verstärken könnte.

4. Verteidigung: Ausgaben und Bevorratung

Eine multipolare Welt erhöht den Stellenwert von Abschreckung und sicheren Versorgungswegen. Die NATO-Partner haben noch Spielraum, ihre Verteidigungsausgaben auf die angestrebten Ziele anzuheben, und erneuter Druck seitens der USA könnte sie dazu veranlassen, diese noch weiter zu erhöhen. Selbst eine Annäherung an 3% des BIP für die großen Volkswirtschaften würde massive jährliche Ausgaben bedeuten, jedoch mit begrenzten Produktivitätsgewinnen – ein inflationäres Szenario. Die Beschaffung von Verteidigungsgütern ist materialintensiv (Aluminium, Titan, Spezialstähle), und Regierungen neigen dazu, strategische Rohstoffe (Öl, raffinierte Produkte, Seltenerdmetalle) zu horten. Gleichzeitig könnten grössere Haushaltsdefizite die Zinssätze in die Höhe treiben und die Wahrscheinlichkeit einer finanziellen Schwäche erhöhen. In diesem Zusammenhang könnten reale Vermögenswerte, insbesondere solche mit begrenztem Angebot, einen Ballast für das Portfolio darstellen, wenn viele Finanzanlagen am anfälligsten sind.

5. Entdollarisierung: Entstehung konkurrierender Währungssysteme

Angesichts der Verhärtung geopolitischer Blöcke diversifizieren die Währungsbehörden. Viele Zentralbanken haben Goldreserven aufgebaut und damit dessen Rolle als neutrale Reserve in Zeiten von Zollkonflikten gestärkt. Die Bemühungen der BRICS-Staaten um die Förderung unabhängiger Zahlungssysteme und die zunehmende Verwendung von Gold im Handel verstärken diesen Trend. Angesichts der scheinbar teuren US-Aktien und der engen Kreditspreads schätzen Anleger auch die Absicherung des Goldes gegen Währungsabwertungen, insbesondere angesichts der Turbulenzen bei der Federal Reserve. Die lange Geschichte des Goldes in offiziellen Reserven und seine hohe Liquidität untermauern seinen defensiven Nutzen in Zeiten der Unsicherheit. Digitales Gold, Bitcoin, Silber und Seltenerdmetalle können dieses Engagement ergänzen.

6. Dekarbonisierung: Sicherheit, Arbeitsplätze und Metallintensität

Die Energiewende ist nicht nur ein Klimaprojekt, sondern auch ein Projekt der Energiesicherheit und Industriepolitik. Unabhängig von den politischen Schwankungen in den USA bleiben die Anreize für die lokale Produktion, die Verstärkung des Stromnetzes und die „Elektrifizierung von allem” weiterhin stark. Metalle sind für diesen Trend von entscheidender Bedeutung: Kupfer, Aluminium und Nickel werden in Leitern und Bauteilen verwendet, Lithium, Kobalt und Mangan sind für Batterien unverzichtbar, Silber und Polysilizium treiben die Solarenergie voran, und Erdgas und Kernenergie werden zur Aufrechterhaltung des Stromnetzes benötigt. Der Weg zu sauberer Energie ist nach wie vor ressourcenintensiv, insbesondere solange wir darauf warten, dass erneuerbare Energien die erforderliche Größenordnung erreichen.

7. Veräusserung: Unterinvestitionen bereiten den Boden

Jahrelang gingen die Investitionen in Rohstoffe stark zurück. Der Druck von Umweltschützern, hohe Kapitalkosten, politische Unsicherheit und eine technologiegetriebene Aktienrallye lenkten Gelder von langfristigen Entwicklungsbemühungen ab. Das Ergebnis? Weniger Öl- und Kupferprojekte, geringere Reserven (insbesondere bei Öl) und Produktionsengpässe. Historisch gesehen haben Bullenmärkte bei Rohstoffen oft so begonnen: nicht mit einer boomenden Nachfrage, sondern mit einem knappen Angebot. In solchen Situationen haben kleine Nachfrageüberraschungen oder geringfügige Störungen oft zu starken Preisbewegungen und „Backwardation” geführt, wobei die Preise für kurzfristige Rohstoff-Futures höher sind als für langfristige Futures (weil der Markt davon ausgeht, dass die Preise letztendlich sinken werden), was Portfoliomanagern zusätzliche Renditechancen eröffnet.

8. Rechenzentren: Die Leistungsfähigkeit und der Kupferbedarf von KI

KI ist nicht schwerelos. Rechenzentren sind ausserordentlich strom- und kupferintensiv, von Netzverbindungen über Transformatoren bis hin zur internen Verkabelung. Schätzungen der Branche zufolge werden 11 bis 80 Tonnen Kupfer benötigt, um ein Megawatt Strom zu erzeugen, und der Strombedarf von Rechenzentren steigt mit zweistelligen Raten, was darauf hindeutet, dass die Kupfernachfrage bis zum Ende des Jahrzehnts rapide ansteigen könnte.

In den gesamten USA kommt es bereits zu Stromengpässen. Da sich die Kernenergie nur langsam entwickelt, stammt das marginale Angebot häufig aus Erdgas, was sich positiv auf die Gaspreise in den USA, die Infrastruktur für Flüssigerdgas und die damit verbundenen „Midstream”-Pipelines auswirkt. Auch Aluminium und Nickel profitieren vom Ausbau von Servern, „Racks” und Kühlsystemen. Für Anleger, die sich davor hüten, Spitzenmultiplikatoren für KI-Marktführer zu zahlen, können Rohstoffe als konservativere Alternative für dasselbe langfristige Thema dienen.

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