Mit dem jüngsten Deal steigt die Bewertung des französischen KI-Start-ups auf fast zwölf Milliarden Euro.
Zunächst gab es Gerüchte, nun folgt die offizielle Bestätigung. Der Halbleiterkonzern ASML investiert 1,3 Milliarden Euro in Mistral. Insgesamt sammelt die französische Firma in ihrer vierten Finanzierungsrunde 1,7 Milliarden Euro ein.
Inklusive des neuen Kapitals bewerten Investoren die erst 2023 gegründete Firma nun mit 11,7 Milliarden Euro. Das macht Mistral zu einem der wertvollsten Start-ups Europas. Zum Vergleich: Der Wert von direkten Wettbewerbern wie den US-KI-Entwicklern OpenAI, Anthropic und Elon Musks xAI wird auf Hunderte Milliarden Dollar an Wert beziffert.
Seit Jahren bemängeln Experten, dass es in Europa an grossen Technologiekonzernen fehlt, die mit hohen Investments die heimische Start-up-Szene stärken. Die ASML-Beteiligung dürfte nun einen Rekord darstellen: Wohl kein anderer europäischer Technologiekonzern hat in vergleichbarer Höhe eine Minderheitsbeteiligung an einem europäischen Softwareunternehmen erworben.
Mistral gilt als Hoffnungsträger bei der Entwicklung grosser Sprachmodelle und bietet mit LeChat eine Alternative zu OpenAIs KI-Bot ChatGPT. Grösster Fan der Firma ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron – er rief die Bürger sogar öffentlich zum Download von LeChat auf.
ASML ist weltweit der einzige Produzent von EUV-Lithografie-Anlagen. Dabei handelt es sich um Maschinen, die mit ultraviolettem Licht winzige Strukturen auf dünne Siliziumscheiben projizieren und so die bislang modernsten Chips ermöglichen. Sie gelten als Rückgrat der Halbleiterproduktion.
Der Halbleiterkonzern wird künftig grösster Aktienbesitzer des KI-Unternehmens, erhält einen Sitz im Verwaltungsrat und wird selbst Produkte von Mistral nutzen. Die Modelle von Mistral sollen etwa beim Scanning, in der Sensorik zur Defekterkennung sowie bei der Optimierung von Betrieb und Wartung eingesetzt werden.
Vorstandschef Christophe Fouquet sprach von einer «strategischen Partnerschaft zweier Technologiepioniere». Ziel sei es, Lösungen zu entwickeln, die ASMLs Kunden und der europäischen Industrie zugutekommen. Für den Konzern ist es damit nicht nur eine Finanzbeteiligung, sondern auch ein strategischer Schritt, um Synergien zwischen Halbleiterproduktion und KI-Anwendungen zu erschliessen.
Analysten des Investmenthauses Jefferies sehen die Beteiligung vor allem als geopolitisch motiviert. Europa solle unabhängiger von den USA werden und eigene KI-Champions hervorbringen. «Obwohl deutlich kleiner, tritt Mistral in Konkurrenz zu OpenAI, Google Gemini und anderen und gilt als aufstrebende europäische Alternative», heisst es in einer Analyse.
Aus Sicht der Jefferies-Experten dürfte der Einstieg bei Mistral zunächst nicht für die Bewertung der ASML-Aktie ins Gewicht fallen. Langfristig könne sich die Beteiligung bei einer erfolgreichen Entwicklung von Mistral und der Zusammenarbeit der beiden Unternehmen wertsteigernd auswirken.
Mistral plant, das frische Kapital vor allem in den Ausbau von Rechenkapazitäten zu investieren. Zudem sind Mittel für Vertrieb, Marketing und gezielte Übernahmen vorgesehen. Dabei gilt weiterhin, dass das Unternehmen mit bedeutend weniger Kapital auskommen muss als seine Konkurrenten.
Insgesamt hat das Start-up von CEO Arthur Mensch und den ehemaligen Meta-Forschern Timothée Lacroix und Guillaume Lample nun rund 2,8 Milliarden Euro eingesammelt. Um zu bestehen, ist für den Mistral-Chef eine gesunde finanzielle Basis entscheidend. Bislang gelingt das mit Sparsamkeit: «Unsere Kostenstruktur ist wesentlich effizienter», sagt Mensch gegenüber dem Handelsblatt. In den vergangenen zwei Jahren habe Mistral rund 400 Millionen Euro ausgegeben, deutlich weniger als OpenAI und Anthropic. Mit Blick auf die Konkurrenten sagt er: «Unsere ökonomischen Kennzahlen sind deutlich besser.»
Anders als ChatGPT-Entwickler OpenAI will Mistral die vollständige Wertschöpfungskette bedienen, «von GPUs bis zu individuellen Anwendungen». Lange waren Nutzungslizenzen für KI-Modelle die wichtigste Einnahmequelle. Inzwischen verschiebt sich der Schwerpunkt: «Wir liefern nicht nur Modelle, sondern komplette Lösungen, mit denen Unternehmen KI in ihren Anwendungen einsetzen können», sagt CEO Mensch. Der Schlüssel liege in vertikaler Integration: Produkte und Lösungen müssten fest in der Wertschöpfungskette verankert sein – und die nötige Infrastruktur gleich mitliefern.
Seit der Gründung hat Mistral ein breites Netzwerk aus Partnerschaften mit mehrjährigen Verträgen aufgebaut. Zu den Partnern zählen CMA CGM, Stellantis, Axa, Orange und Veolia. Hinzu kommen Kooperationen mit dem französischen Verteidigungsministerium und dem deutschen Rüstungs-Start-up Helsing.