«Wir beobachten keine Infragestellung der ESG-Anlagen im institutionellen Geschäft»

02.06.2025 10:19

Jean-Francis Dusch, der CIO von BRIDGE, Edmond de Rothschilds Plattform für Infrastrukturanleihen erläutert im Interview wieso er sich voll für die Energiewende engagiert und zwar in allen Sektoren.

Jean-Francis Dusch, CIO von BRIDGE. (Bild pd)
Jean-Francis Dusch, CIO von BRIDGE. (Bild pd)

Das Interesse am nachhaltigen Finanzwesen scheint derzeit aus unterschiedlichen Gründen nachzulassen. Ist diese Zurückhaltung auch bei Ihren Kunden spürbar?

Jean-Francis Dusch: Bei Edmond de Rothschild beobachten wir im institutionellen Geschäft keine Infragestellung der ESG-Anlagen. Im Moment deutet alles darauf hin, dass Europa die Energiewendeziele erreichen wird. Die Nachfrage nach Mandaten mit ESG- und/oder Klimakriterien ist daher nach wie vor stark, und die Kunden sind auch immer noch genauso anspruchsvoll. Unser Engagement beruht auf Überzeugungen und soliden Fundamentaldaten. Wir unterstützen auch weiterhin unsere Impact-Initiativen, und das aktuelle geopolitische Klima gibt uns in Bezug auf unsere seit zwei Jahrzehnten bewährte Vision durchaus Recht. Was die Energiewirtschaft betrifft, so muss Europa stärker denn je in die Energiewende investieren, um unabhängiger zu werden.

Zwischen dem Finanzierungsbedarf für den Wirtschaftswandel und der Investitionsbereitschaft scheint es aber eine grosse Kluft zu geben: wie kann diese Kluft überwunden werden?

Der Impuls zur Senkung der Emissionen wird von regulatorischen Initiativen und Rahmenwerken wie Net Zero, der EU-Taxonomie, der SFDR oder Fit for 55 getragen. Jedoch sehen sich die politischen Entscheidungsträger vor einem energiepolitischen Trilemma: Sie müssen erschwingliche und sichere dekarbonisierte Energie bereitstellen und gleichzeitig die energiewirtschaftliche Unabhängigkeit wahren. Um diese Ziele erreichen zu können, sind in den kommenden zehn Jahren weltweit Investitionen von mehreren Billionen Euro erforderlich. In Europa zielt «Fit for 55» bis 2030 auf eine Senkung der CO2-Emissionen um 55 Prozent ab. Hierfür und für eine schnellere Energiewende müssen jährlich 700 Milliarden Euro in neue Infrastrukturprojekte investiert werden.

Solche Projekte setzen erhebliche Kapitalströme voraus, und dabei können die institutionellen Anleger eine entscheidende Rolle spielen. Immer mehr Unternehmen investieren in die Energiewende, und diejenigen, die am weitesten sind, haben im Allgemeine bereits die SFDR und die EU-Taxonomie antizipiert und integriert, die im März 2021 in Kraft getreten sind. Diese Entwicklung bietet uns die Möglichkeit, bei unserem Beitrag zu den essenziellen Umweltprojekten, bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und bei der Unterstützung der Wirtschaft innovativ, engagiert und diszipliniert aufzutreten.

Für institutionelle und private Anleger, die eine Auswirkung auf die Realwirtschaft erzielen möchten, sind die Markteintrittsschranken immer noch relativ hoch. Wie kann man diese senken und mehr Privatkapital mobilisieren?

Wir haben eine positivere Sicht auf die Initiativen, mit denen die liquiden Mittel der institutionellen und der privaten Anleger angezogen werden soll. Beide spielen bei dieser Transformation eine wichtige Rolle. Die institutionellen Anleger werden bei ihrem Ansatz durch regulatorische Reformen unterstützt und haben die mit der Energiewende verbundenen Chancen und Risiken verstanden. Im Rahmen der Solvency-II-Richtlinie haben die Regulierungsbehörden Massnahmen zur Investitionsunterstützung eingeführt, darunter die begünstigte Behandlung von Infrastrukturanleihen. Auch die SFDR-Verordnung ist ein wichtiger Faktor.

Es ist gleichzeitig beruhigend und vielversprechend, dass die Politik, die Behörden, die Infrastrukturentwickler und -betreiber sowie die staatlichen und privaten Geldgeber ihre Interessen und Massnahmen aneinander ausgerichtet haben, um die Umwelt- und Energiewende zu beschleunigen. Die institutionellen Anleger leisten seit zehn Jahren sowohl bei den Eigen- als auch bei den Fremdmitteln einen wesentlichen Beitrag zur Infrastrukturfinanzierung. Sie suchen nach realen Vermögenswerten, die vorhersehbare und stabile Renditen generieren und die aufgrund eines günstigen vertraglichen und regulatorischen Rahmens von den politisch-wirtschaftlichen Ereignissen entkoppelt sind.

Wie verwalten Sie bei BRIDGE das Risiko-Ertrags-Verhältnis? Denn die Anleger erwarten ja eine finanzielle Rendite und eine echte Auswirkung.

Durch die Energiewende und durch die Schuldenfinanzierung der Projekte ergeben sich Anlagemöglichkeiten, bei denen sich das Collateral, die Sicherheiten und die Kreditqualität des finanzierten Vermögenswertes maximieren lassen. Gleichzeitig entsteht eine Komplexitätsprämie, welche die Kreditmarge und damit die Rendite nach oben treibt. Durch unsere Positionierung als Arrangeur der Schulden, in die wir investieren, und durch die Fähigkeit unseres Teams, neue Untersektoren zu antizipieren (aber ohne höheres Risiko für unsere Anleger), können wir bei identischem Risikoprofil um 25 bis 100 Basispunkte höhere Kreditmargen für unsere Anleger erzielen. Und dabei schaffen wir Portfolios, mit denen eine echte Auswirkung erzielt wird.

Vor zehn Jahren waren wir Vorreiter bei der Refinanzierung von Offshore-Windparks, bei Biogasanlagen und bei Projekten für batteriebetriebene Energiespeicherkraftwerke. Mit diesen Projekten können unsere Anleger stabile und höhere Renditen erzielen und gleichzeitig einen konkreten Beitrag zur Energiewende leisten. Darüber hinaus werden Arbeitsplätze geschaffen und Lösungen für die Umweltprobleme gefunden.

BRIDGE hat sich seit der Gründung auf die Energiewende in allen Sektoren und auf die digitale Infrastruktur konzentriert. Wie definieren Sie diese Überzeugung, und wie wenden Sie sie an?

Bei BRIDGE engagieren wir uns voll für die Energiewende, und zwar in allen Sektoren. Wir investieren derzeit in die folgenden fünf Sektoren. Energiesektor: Wir haben Energieprojekte in Europa finanziert, darunter Windenergie-, Solarenergie- und Biomasseprojekte sowie weitere innovative Projekte wie Biogas, Methanrückgewinnung und Batteriespeicherung. Transportinfrastruktur: Auch diese durchläuft eine grosse Transformation. Zu nennen wären hier das transeuropäische Verkehrsnetz und der Juncker-Plan zur Förderung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge, der sich auf Anlagen in Kapital und in Privatanleihen stützt. Soziale Infrastrukturen: Den sozialen Infrastrukturen wie zum Beispiel den «nachhaltigen Gebäuden» kommt bei der Energiewende ebenfalls eine entscheidende Rolle zu.

Insbesondere im Gesundheits- und im Bildungswesen liegt der Schwerpunkt auf der Energieeffizienz. Öffentlicher Dienst: Auch der öffentliche Dienst beginnt mit seiner Energiewende. Um die CO2-Emission zu reduzieren, werden die Anlagen modernisiert, und schrittweise, aber stetig und mit ehrgeizigen Terminzielen erfolgt der Ausstieg aus den fossilen Rohstoffen. Und last, but not least: digitale Infrastrukturen (Energieeffizienz). Auch sie sind integraler Bestandteil der Energiewende und bieten ein breites Anlageuniversum.

Wie sieht die Situation an den Märkten der Schwellenländer aus, wo es im Bereich Energiewendefinanzierung enorme Möglichkeiten gibt?

Die Energiewende ist ein globales Phänomen. In vielen Ländern werden Massnahmen getroffen, um diese Wende zu beschleunigen. Deswegen weiten wir seit Kurzem mit einem konkreten und bereits gut fortgeschrittenen Projekt unsere geografische Reichweite aus, nämlich mit der Einrichtung eines Anleihenfonds für Infrastrukturen im Nahen Osten. Mit diesem unterstützen wir zunächst den Infrastrukturplan des Königreichs Saudi-Arabien, bei dem die Energiewende einen wichtigen Teil ausmacht.

Jean-Francis Dusch

Der CIO von BRIDGE verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der internationalen Projekt- und Strukturfinanzierung. Nach seinem Eintritt in die Edmond de Rothschild Gruppe im Jahr 2004, zunächst als Co-Leiter der Abteilung für Projektfinanzierung, übernahm er die Leitung der Beratungsdienste für Strukturierung. Im Jahr 2013 leitete Jean-Francis die Abteilung für Infrastruktur und Strukturierte Finanzierung der Gruppe, was zur Gründung der Benjamin de Rothschild Infrastructure Debt Generation Plattform führte die heute mehr als 6,5 Milliarden Euro verwaltet. Er begann seine Karriere bei Bouygues Construction und beriet und strukturierte anschliessend bedeutende Transaktionen in den Bereichen Infrastruktur und TMT in Europa, Afrika, dem Nahen Osten und Asien für Basil Read, UBS, Citigroup und WestLB. Er ist Absolvent der École Supérieure de Commerce de Paris und hält einen Abschluss in Rechtswissenschaften der Universität Paris.

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