Jack Janasiewicz, CFA, Portfolio Manager und Lead Portfolio Strategist bei Natixis Investment Managers Solutions schreibt über die Unsicherheiten und Folgen der angedrohten Zölle auf Importe in die USA.
Wie hoch werden die Zölle sein? Welche Waren werden betroffen sein? Wird es Ausnahmen geben? Die zahlreichen Unwägbarkeiten erschweren es, sich strategisch richtig zu positionieren. Das Ergebnis? Viele Investoren sind laut Janasiewicz gezwungen, reaktiv statt proaktiv zu agieren. Die grösste Gefahr in einem solchen Umfeld? «Das Vertrauen und die Stimmung sowohl auf Unternehmensebene als auch bei Haushalten beginnen zu bröckeln – keine gute Entwicklung für die Wirtschaft oder für risikobehaftete Vermögenswerte.»
Einige Hinweise dazu finden sich in der «Teal Book»-Analyse der US-Notenbank (Fed) aus dem Jahr 2018. Fed-Mitarbeiter führten eine Analyse durch, um die Auswirkungen eines universellen Zolls von 15 Prozent zu bewerten. Ihr Fazit? Die Fed sollte Zölle als einmaligen Preisanstieg betrachten, da der inflationäre Effekt nur vorübergehend sei. Würde die Fed auf einen solchen einmaligen Preisanstieg mit Zinserhöhungen reagieren, würde dies die Wahrscheinlichkeit einer Rezession erhöhen – ein unerwünschtes Ergebnis.
Langfristig betrachtet, so die Analyse, würde die Inflation weitgehend unverändert bleiben und eine Rezession vermieden werden – vorausgesetzt, die Inflationserwartungen bleiben fest verankert. Ironischerweise erwähnte Fed-Chef Jay Powell nach der Dezember-Sitzung, dass einige Inflationsprognosen der Fed-Mitarbeiter sowie der stimmberechtigten Mitglieder bereits mögliche Auswirkungen von Zöllen berücksichtigen. Mit anderen Worten: Während die «Teal Book»-Analyse nahelegt, dass die Fed Zölle ignorieren sollte, deutet die aktuelle «Summary of Economic Projections» darauf hin, dass mehrere Mitglieder genau das Gegenteil tun.
Die Trump-Administration hat zwei Hauptmotive für die Einführung von Zöllen genannt: Einnahmen und die Neugestaltung der globalen Handelsordnung. Der erste Punkt – die Zolleinnahmen – wurde als potenzielle Ergänzung zu den Einkommenssteuern angeführt. Trump ging sogar so weit zu sagen, dass Zölle die Einkommenssteuer vollständig ersetzen könnten. Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt die Realität: Die USA importieren Waren im Wert von rund 3 Billionen Dollar pro Jahr, während die Einkommenssteuer rund 2 Billionen Dollar einbringt. Damit Zölle die Einkommenssteuer vollständig ersetzen könnten, wäre ein universeller Zoll von 66 Prozent auf alle US-Importe nötig – und das ohne Berücksichtigung von Vergeltungsmassnahmen oder des wahrscheinlichen Wachstumsrückgangs durch einen Handelskrieg. Zolleinnahmen könnten also allenfalls marginal zur Staatsfinanzierung beitragen.
Die Neugestaltung der globalen Handelsordnung hingegen ist ein deutlich ambitionierteres Ziel, das sich nicht innerhalb einer Legislaturperiode umsetzen lässt. Angesichts der geopolitischen Dynamik kann man vielmehr davon ausgehen, dass Zölle als Verhandlungsinstrument eingesetzt werden, um am Ende Zugeständnisse zu erzwingen.
Das Muster ist immer wieder das gleiche: Eine Androhung von Zöllen, um Forderungen durchzusetzen. Und es scheint – zumindest kurzfristig – zu funktionieren. Während einige der vermeintlichen «Zugeständnisse» ohnehin in der Pipeline waren, gab es tatsächlich auch einige Erfolge. Doch irgendwann könnte sich dieses Spiel abnutzen. Wenn die Drohungen nicht mehr ernst genommen werden, wird sich der Markt darauf konzentrieren, ob die tatsächlichen Massnahmen genauso drastisch sind wie die Rhetorik.
Investoren scheinen einige dieser Entwicklungen bereits eingepreist zu haben: Spezifische Sektoren, die ins Visier möglicher Zölle geraten sind, hinken dem breiten Markt hinterher. Auch die Währungsmärkte haben sich bereits angepasst. Wenn beispielsweise ein Zoll von 10 Prozent auf mexikanische Importe erhoben wird, aber der mexikanische Peso parallel um 10 Prozent gegenüber dem US-Dollar abwertet, bleibt der inflationsbereinigte Importpreis in Dollar praktisch unverändert. Währungsmärkte können also einen Teil des Zoll-Effekts abfedern. Doch die ersten, zweiten und dritten Ordnungseffekte von Zöllen sind schwer vorhersehbar.
- Werden Exporteure ihre Preise senken, um den Zolleffekt zu kompensieren?
- Werden Importeure die zusätzlichen Kosten selbst tragen oder an Verbraucher weitergeben?
Und wenn man nur die direkten Effekte betrachtet (ohne Vergeltungsmassnahmen oder Folgewirkungen), dann dürfte die Ertragslage vieler Unternehmen unter Druck geraten: Je höher der Zoll, desto stärker der Gewinnrückgang.
Sektoren mit starkem Binnenfokus könnten profitieren – etwa Versorger (Utilities). Am stärksten betroffen sind hingegen Sektoren, die stark vom Aussenhandel abhängen, darunter:
- Technologie
- Konsumgüter
Besonders ins Visier genommen werden Länder mit einem hohen Handelsüberschuss gegenüber den USA – insbesondere China, die EU und Mexiko. Für die EU bedeutet dies Risiken für die Automobil-, Chemie- und Maschinenbauindustrie – die grössten Exportsektoren in die USA gemessen am BIP.
Noch problematischer ist die indirekte Wirkung: Die europäische Wirtschaft ist stark exportorientiert, insbesondere in die Schwellenländer, mit einem hohen Anteil an China. Falls die chinesische Wirtschaft durch US-Zölle geschwächt wird, trifft dies auch europäische Exporteure, die auf chinesische Konsumenten angewiesen sind – etwa Luxusmarken und Automobilhersteller. In diesem Szenario – mit direktem und indirektem Schaden – könnte der Gewinn je Aktie (EPS) in Europa um 5 bis 8 Prozent fallen.
«Mit so viel Unsicherheit rund um Zölle und die globale Wirtschaft wird es schwierig, sich strategisch zu positionieren. Fundamentale Daten sprechen zwar weiterhin für ein Wachstum der Unternehmensgewinne, doch sollte das Vertrauen und die Marktstimmung unter der Zollbedrohung erodieren, könnte sich dieses Bild schnell ändern», so das Fazit.