Inflation, Zölle, ein möglicher Paradigmenwechsel im KI-Bereich: Der Technologiesektor ist nach einem kräftigen Kursplus in jüngster Zeit volatiler geworden. Fidelity-Fondsmanager Hyun Ho Sohn erläutert die weiteren Aussichten und für Anleger wichtige Bereiche.
Sorgen um die US-Zollpolitik, das Gespenst einer steigenden Inflation: Der jüngste Volatilitätsschub im Technologiesektor hat laut Sohn «viele Väter – allen voran jedoch DeepSeek». Hat das chinesische Unternehmen einen Wendepunkt für KI-Aktien und den Technologiesektor insgesamt markiert?
Einiges spreche dafür. Wenn sich die grossen Sprachmodelle (LLM) tatsächlich viel kostengünstiger realisieren lassen, könnte das KI-Endnutzern und deren Dienstleistern zugutekommen. Denn diese Firmen können die Vorteile von KI-Anwendungen schneller und günstiger nutzen. Im Umkehrschluss könnten Halbleitertitel unter Druck geraten, was sich in den letzten Wochen auch bereits abgezeichnet hat. Softwaretitel und einige chinesische Anbieter dagegen standen stärker im Fokus des Anlegerinteresses.
Seit OpenAI sein ChatGPT vorgestellt hat, ist die Nachfrage nach KI-Infrastruktur exponentiell gestiegen. Die Kurse von Halbleiteraktien wie Nvidia und Broadcom waren besonders stark gestiegen. Mit DeepSeek gibt es jetzt laut dem Experten weitere Variablen, die Anleger bei der Suche nach potenziellen KI-Gewinnern berücksichtigen müssen.
Wenn beispielsweise die Kosten für das Training von KI-Modellen erheblich sinken, was bedeutet das für die Nachfrage nach KI-Infrastruktur? Werden niedrigere Kosten die Einführung von KI beschleunigen? Und wo liegen die grösseren Chancen, auf der Ebene des KI-Modells oder der Anwendung? Bei dieser letzten Frage könnte es ähnlich laufen wie in der Internet-Ära: E-Commerce, digitale Werbung und soziale Medien waren die grössten Profiteure – und nicht die Hardware-Unternehmen.
Wie sieht es bei Software und IT-Dienstleistungen aus? Softwareanbieter können mit KI potenziell Produkte zu niedrigeren Kosten entwickeln und verbessern. IT-Dienstleister wiederum können Kunden dabei helfen, ihre IT-Systeme und Dateninfrastruktur zu modernisieren, um KI-Anwendungen nutzen zu können. KI kann es zudem neuen Playern erleichtern, selbst Software zu entwickeln. Das eröffnet Chancen für neue Anbieter von KI-nativer Software. «Daher glauben wir, dass die Aktienauswahl in den Sektoren Software und IT-Dienstleistungen in Zukunft noch wichtiger sein wird.»
Ein Grossteil der Nachfrage nach Grafikprozessoren (GPUs) wird von «Frontier-Modellen» getrieben. Die meisten Unternehmen dieses Sektors sind zutiefst unrentabel und stark von Fremdkapital abhängig. Zudem wird sich der Fokus vom KI-Training hin zum «Inferencing» verlagern: also dem Prozess, bei dem KIs die bekannten Informationen und Muster auf neue Daten anwenden. Dies könnte den Wettbewerb zwischen den KI-Halbleiterunternehmen anheizen. Denn für das Inferencing sind keine riesigen GPU-Cluster notwendig, bei denen Nvidia ein dominanter Anbieter ist.
Spannend sei – auch längerfristig gesehen – die Entwicklung in China. Die dortigen Unternehmen haben beeindruckende technische Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Elektrofahrzeuge und Batterien beispielsweise halten Experten für weltweit wettbewerbsfähig. Auch bei der Lokalisierung von Halbleitern sind Fortschritte zu verzeichnen. Und natürlich sind Firmen wie DeepSeek, Alibaba und andere bei KI-Entwicklungen aktiv. Fidelity sieht eine solide Grundlage dafür, dass sich chinesische Tech-Titel 2025 überdurchschnittlich entwickeln werden.
Wie bei früheren Einführungen neuer Technologien neigen die Anleger laut Sohn dazu, in der Anfangsphase der Kursdynamik zu folgen. «Die grundlegenden Auswirkungen der KI sind nach wie vor unklar, bestimmte Aktien aus diesem Bereich halten wir jedoch für überbewertet. Angesichts dessen könnten sich einige zu Unrecht als «KI-Verlierer» abgestempelte Firmen 2025 besser entwickeln.» Ähnliches gelte für einige zyklische Aktien mit unterdurchschnittlicher Rentabilität. Zudem könnte der Blick sich stärker über die USA hinausrichten. «Besonders in China sehen wir viele unterschätzte Chancen. Insgesamt halten wir einen fundamentalen Ansatz bei der Aktienauswahl und eine konsequente Bewertungsdisziplin 2025 für besonders wichtig», so das Fazit.