«Die Anziehungskraft von Gold ist ungebrochen. Von alten Zivilisationen bis hin zu modernen Anlegern hat seine Faszination als Wertspeicher und Absicherung gegen Währungsabwertung und Unsicherheit nichts von ihrer Kraft verloren», schreibt Ritu Vohora, Investment Specialist bei T. Rowe Price.
In den vergangenen Jahren haben steigende Staatsverschuldung, anhaltender Inflationsdruck und eskalierende geopolitische Spannungen die Nachfrage nach Gold angeheizt und die Preise auf Rekordhöhen getrieben. «Angesichts der zahlreichen Risiken, denen die globalen Märkte ausgesetzt sind, ist der Glanz des Goldes kaum zu übersehen. Anleger sollten jedoch über die oberflächlichen Renditen hinausblicken – diese Anlageklasse erfordert ein differenziertes Verständnis ihrer bekannten Volatilität, ihrer aktuellen Bewertung und ihrer Rolle im Portfolioaufbau», erläutert die Expertin.
Die Geschichte des Goldes ist geprägt von dramatischen Höhen und Tiefen. Als James Marshall 1848 in den Ausläufern der Sierra Nevada in Kalifornien Gold entdeckte, brauchte er nur seine Hände, um das glänzende Metall aus dem Fluss zu schöpfen. Innerhalb weniger Jahre war der darauf folgende Goldrausch weitgehend abgeklungen. Heute fragten sich einige, ob die rasante Rallye des Goldes ebenfalls die «leichten Gewinne» erschöpft habe. Vielleicht. Allerdings wirkten mehrere strukturelle Kräfte zugunsten von Gold.
Historisch gesehen dienten die Aktivitäten der Zentralbanken laut Vohora als konträrer Indikator für Gold. Die Bank of England verkaufte im Jahr 2000 ihre Bestände und markierte damit den Tiefpunkt des Marktes, bevor die Preise einen generationsübergreifenden Aufschwung erlebten. Der russische Einmarsch in die Ukraine hat diese Dynamik verändert. Zu Beginn des Krieges reagierten die westlichen Regierungen schnell und froren die Devisenreserven Russlands ein und beschränkten dessen Zugang zum dollarbasierten Finanzsystem. Im Gegenzug versuchten einige Zentralbanken, ihre Abhängigkeit von den Staatsanleihen der Industrieländer zu verringern, indem sie ihre Goldreserven aufstockten und eine Diversifizierung weg vom US-Dollar vornahmen.
Bemerkenswert sei, dass die Zentralbanken seit 2022 in jedem der letzten drei Jahre über 1 000 Tonnen angehäuft haben – mehr als doppelt so viel wie im Durchschnitt des letzten Jahrzehnts. Die neuesten Daten des World Gold Council machen deutlich, dass Gold mit einem Anteil von 20 Prozent an den weltweiten Zentralbankreserven die zweitgrösste Reservewährung der Welt ist. Der US-Dollar dominiert mit 46 Prozent, hat jedoch in den letzten zehn Jahren an Bedeutung verloren.
«Diese strukturelle Nachfrageverschiebung hin zum gelben Metall dürfte sich so schnell nicht umkehren, was angesichts des begrenzten Neuzugangs einen starken Rückenwind für die Goldpreise bedeuten könnte. Anleger sollten sich jedoch weniger auf die Preisentwicklung konzentrieren, sondern vielmehr auf die strategische Rolle von Gold im Portfolioaufbau», schreibt die Spezialistin.
Ob Gold als traditioneller Diversifikator geeignet ist, sei umstritten. Skeptiker verweisen auf seine hohe Volatilität, die über längere Zeiträume schwachen Renditen und die fehlende Verzinsung. Dennoch könne Gold Schutz vor Inflationsschocks bieten, wie es in den 1970er Jahren und nach der COVID-19-Pandemie deutlich gezeigt habe.
Eine zentrale Frage für Anleger sei, ob der globale Inflationsdruck nur vorübergehend ist oder strukturell höher ausfallen dürfte. Die US-Fiskalpolitik bleibt expansiv, da Washington Schwierigkeiten hat, die Defizite einzudämmen. China verstärkt seine Konjunkturmassnahmen. Japan erlebe nach Jahrzehnten der Deflation einen Lohndruck. Und Europa erhöht sowohl die Verteidigungs- als auch die Infrastrukturausgaben. «Diese Entwicklungen deuten zusammen mit einer Tendenz zur Deglobalisierung und zur Rückverlagerung von Lieferketten darauf hin, dass der Inflationsdruck anhalten könnte», erläutert Vohora.
Für Anleger, die in Gold investieren möchten, gibt es verschiedene Optionen: physische Barren, Münzen, ETFs, Bergbauaktien oder Lizenzgebührenunternehmen. Jede Option habe ihre eigenen Vor- und Nachteile. Physisches Gold bietet greifbare Sicherheit, ist jedoch mit Lager- und Versicherungskosten verbunden. ETFs bieten Liquidität und einen einfachen Zugang, aber möglicherweise nicht die Greifbarkeit, die manche Anleger suchen, und können der Marktstimmung unterliegen. Bergbauaktien hingegen bieten eine Hebelwirkung auf den Goldpreis, sind aber auch mit operativen Risiken verbunden.
In der Vergangenheit haben laut T. Rowe Price «operative Fehltritte und eine schlechte Kapitalallokation das Potenzial von Goldminenunternehmen gebremst.» Dies habe viele Anleger dazu veranlasst, stattdessen Lizenzgebührenunternehmen den Vorzug zu geben, die sich häufig auf die Sicherung ihrer Gewinnmargen und die Reinvestition von Kapital in neue Einnahmequellen und Lizenzgebühren konzentrieren und damit ein stabileres Investitionsmodell bieten. In letzter Zeit hätten Goldminenunternehmen jedoch mehr Disziplin an den Tag gelegt. «Die Vorteile der höheren Goldpreise schlagen sich allmählich in ihren Gewinnen nieder.»
Die Aktienmärkte hätten diese Gewinne jedoch nur langsam eingepreist, was auf Skepsis hinsichtlich der Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung hindeute. Dies schaffe Chancen für aktive Manager. Allerdings profitierten nicht alle gleichermassen von einem hohen Goldpreis, sodass die Auswahl der Aktien von entscheidender Bedeutung sei. «Unternehmen mit einer disziplinierten Kapitalallokation sowie kleinere aufstrebende Produzenten und Lizenzgebührenunternehmen sind in diesem Umfeld am besten positioniert, um sich gut zu entwickeln», so das Fazit.