«Die Zinssenkungen und Zinspausen der letzten Woche zeigten, wie sehr die Notenbanken mit sich kämpfen. Das sorgt für Unsicherheit – und Chancen durch Bewertungsunterschiede», schreiben Ashok Bhatia, Olumide Owolabi und Robert Dishner von Neuberger Berman.
Wie erwartet hat die Fed ihren Leitzins letzte Woche um 25 Basispunkte gesenkt. Alles in allem schien die Fed von ihrer Entscheidung laut den Experten «nicht wirklich überzeugt». Zu unterschiedlich waren die Einschätzungen der Offenmarktausschussmitglieder – zur Konjunktur und zum Umgang mit dem schwächelnden Arbeitsmarkt und einer Inflation über dem Zielwert.
Aber nicht nur die Fed schien unentschlossen. Die Zinssenkung der Bank of Canada um 25 Basispunkte und die unveränderten britischen und japanischen Leitzinsen bestätigten das Dilemma. Den Notenbanken falle es nicht leicht, die richtige Antwort auf diese doppelte Herausforderung zu finden und frühzeitig Klarheit über die künftige Geldpolitik zu schaffen.
«Wir halten Tempo und Ausmass der anstehenden Zinssenkungen in den wichtigsten Industrieländern jetzt für unsicher wie selten – und das, obwohl die meisten Beobachter mit weltweiten Zinssenkungen rechnen, mit der Fed an der Spitze», heisst es bei Neuberger Berman.
Natürlich wolle die Fed zu den anderen Notenbanken aufschliessen, die die Zinsen schon früher und stärker gesenkt haben. Dennoch bleibe die Geldpolitik unsicher – und schaffe damit interessante Anlagemöglichkeiten durch Bewertungsunterschiede zwischen den Ländern. Das gelte beispielsweise für die Bewertungsunterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Anleihen, eine Folge der zurzeit unterschiedlichen Geldpolitik in den USA, Grossbritannien und dem Euroraum.
Die EZB beliess ihren Leitzins am 11. September unverändert bei 2 Prozent. Er ist damit halb so hoch wie letztes Jahr. In den USA beträgt der Leitzins hingegen 4 bis 4,25 Prozent, in Grossbritannien 4 Prozent. Die EZB liess ihre Leitzinsen zwar seit Juni unverändert, doch Neuberger Berman rechnet bis zum Jahresende noch mit einer weiteren Senkung. Interessante Entwicklungen sehe man auch an den Staatsanleihenmärkten Grossbritanniens, Kanadas und Japans.
Die Fed will zu den anderen Notenbanken aufschliessen und hat klargemacht, dass sie die Zinsen jetzt senkt. «Wir erwarten drei weitere Senkungen bis Anfang 2026, mit einem neutralen Leitzins zwischen 3,25 und 3,75 Prozent», schreiben die Autoren. Unklar bleibe aber der Weg dahin.
Die Einschätzungen der Offenmarktausschussmitglieder liegen recht stark auseinander. Das zeigt sich etwa im aktualisierten Dotplot für 2025, in dem jedes Mitglied den aus seiner Sicht am Jahresende angemessenen Leitzins notiert. Sieben der 19 Mitglieder erwarten für dieses Jahr keine weiteren Zinssenkungen mehr, weitere zwei rechnen mit nur einer.
Die Median-Erwartungen verdecken, wie gespalten der Ausschuss ist. Ein Mitglied hält sogar 125 Basispunkte weniger bis zum Jahresende für sinnvoll – offensichtlich der neue Vorstand Stephen Miran. Er hat als Einziger die Zinsentscheidung nicht mitgetragen und für eine stärkere Senkung votiert. Zwei Mitglieder, die früher gegen den Konsens gestimmt hatten, Christopher Waller und Michelle Bowman, trugen die Entscheidung für eine kleinere Zinssenkung diesmal mit. «Wir glauben, dass Mirans abweichendes Votum und seine Dotplot-Projektionen erste Hinweise darauf liefern, wie der nächste Fed-Vorsitzende 2026 mit dem neutralen Zins umgeht», heisst es dazu.
Fed und Bank of Canada hatten ihre Leitzinsen letzte Woche gesenkt, die Bank of England und die Bank of Japan liessen sie unverändert. Sie folgten damit dem Beispiel der EZB. Sie ist für die Euroraumkonjunktur, den Arbeitsmarkt und die Inflation optimistisch, bleibt aber bei der Inflation wachsam und warnte, dass höhere Zölle und ein zunehmender internationaler Wettbewerb das Wachstum bis zum Jahresende bremsen könnten.
Für die Bank of England sind die hartnäckig hohe Inflation und das schwache Wachstum wesentlich drängendere Herausforderungen. Sie zwingen die Notenbank zu einem Leitzins von unverändert 4 Prozent. Bis zum Jahresende erwartet Neuberger Berman nur noch eine weitere Senkung.
Auffällig sei auch, dass die Bank of England ihr quantitatives Tightening zurückfährt, also den Verkauf von Staatsanleihen aus ihren Beständen. Er soll von 100 auf 70 Milliarden Pfund jährlich gesenkt werden, damit die Staatsanleihenrenditen nicht mehr so stark steigen. Dennoch sollen die Wertpapierverkäufe von 13 auf 21 Milliarden Pfund erhöht werden, weil weniger Titel endfällig werden.
Die Bank of Japan, die ihre Geldpolitik tendenziell strafft, liess den Leitzins unverändert bei 0,5 Prozent, auch hier war es keine einstimmige Entscheidung. Ausserdem teilte die japanische Notenbank mit, dass sie ihre ETF-Bestände verkaufen wolle. Jährlich sollen sie um umgerechnet etwa 4,2 Milliarden US-Dollar verringert werden. Ausserdem sind Verkäufe von REITs geplant, um die Normalisierung der Geldpolitik zu unterstützen. «Trotz einer gewissen Unsicherheit wegen der Zölle rechnen wir damit, dass die Bank of Japan ihren Leitzins bis zum Jahresende erhöht», schreiben die Experten.
«Letztes Jahr war die Geldpolitik noch ein Randthema. Die wirtschaftlichen Folgen der Fiskal- und Zollpolitik schienen wichtiger. Aber das änderte sich, als die Fed wieder mit Zinssenkungen begann.» Die Staatsfinanzen werden «weiter Sorgen machen». Das Thema dürfte wieder in den Fokus rücken, was gewisse Turbulenzen bei lang laufenden Staatsanleihen auslösen könnte. Kurzfristig scheine aber vor allem die Geldpolitik die Märkte zu bestimmen.
«Trotz einer gewissen Unsicherheit über Tempo und Ausmass der Zinssenkungen in den USA und in anderen wichtigen Volkswirtschaften rechnen wir mit einer weiteren Lockerung der Geldpolitik. Das könnte für interessante Chancen durch Bewertungsdifferenzen sorgen – in den letzten Monaten dieses Jahres und darüber hinaus», so das Fazit.