In den USA gab es vorübergehend kein Tiktok mehr. Die Video-App schaltete sich kurz vor Ablauf der Frist für einen Zwangsverkauf für die mehr als 170 Millionen US-Nutzer ab. Doch nach 12 Stunden war Tiktok wieder online, da Donald Trump eine Lösung für die chinesische Plattform im US-Markt zusicherte.
Die Tiktok-User in den USA durften nach 12-stündiger Abschaltung wieder aufatmen. Donald Trump, der allerdings erst am Montag als nächster US-Präsident vereidigt wird, stellte Tiktok eine Betriebsbewilligung für den US-Markt in Aussicht. Der in China ansässige Tiktok-Eigentümer Bytedance bekam nach dem US-Gesetz zur ausländischen Kontrolle über Online-Plattformen im vergangenen Jahr 270 Tage Zeit, sich von der Video-App zu trennen.
Nach Ablauf der Frist am Sonntag musste Tiktok dem Gesetz zufolge aus den amerikanischen App-Stores von Apple und Google fliegen und den Zugang zu technischer Infrastruktur verlieren. Für US-Dienstleister, die Tiktok danach weiter versorgen, sieht das Gesetz hohe Strafen von 5000 Dollar pro Nutzer vor. Trump spricht sich jedoch gegen derartige Strafen aus.
Tiktok und Bytedance weigerten sich in den vergangenen Monaten stets, eine Trennung überhaupt in Erwägung zu ziehen. In den USA wird befürchtet, dass die chinesische Regierung sich Zugang zu Tiktok-Daten von Amerikanern verschaffen und über die Plattform die öffentliche Meinung beeinflussen könne. Die Unternehmen weisen die Vorwürfe zurück. Dennoch führten die Sorgen zu dem mit grosser Mehrheit verabschiedeten Gesetz.
Doch als das Auslaufen der Frist näher rückte, wurde deutlich, dass die Regierung des scheidenden Präsidenten Joe Biden keine Lust hatte, sich am letzten Tag seiner Amtszeit mit einem Tiktok-Blackout herumzuschlagen. Das Weisse Haus teilte mit, man werde die Durchsetzung des Gesetzes Trump überlassen. Das sollte signalisieren, dass Verstösse von US-Unternehmen gegen das Gesetz nicht geahndet würden. Tiktok - und laut Medienberichten vor allem auch den von Strafen bedrohten Partnern der App - war das jedoch zu wenig.
Tiktok verlangte am Freitag direkte Zusicherungen der Regierung zumindest an die wichtigsten Tech-Dienstleister. Ansonsten werde man die Plattform in den USA abschalten. Das Weisse Haus befand, man habe für genügend Klarheit gesorgt hatte und betrachtete die Ankündigung als demonstrative Aktion. «Wir sehen keinen Grund zum Handeln für Tiktok oder andere Unternehmen bevor die Trump-Regierung am Montag übernimmt», sagte Sprecherin Karine Jean-Pierre.
Tiktok schaltete sich trotzdem ab, und sogar schon vor Ablauf der Frist am Samstagabend. Auch die Videoschnitt-App Capcut und die Tiktok-Alternative Lemon8, die ebenfalls dem Bytedance-Konzern gehören, funktionierten nicht mehr. Die Bytedance-Anwendungen waren zudem nicht mehr in den App-Stores zu finden. Viele Nutzer machten ihrem Ärger Luft auf anderen Online-Plattformen wie X des Tech-Milliardärs Elon Musk. Tiktok hatte schon früher versucht, Fans der App gegen das Gesetz zu mobilisieren.
Nun scheint aber Tiktok den Zusicherungen von Trump zu trauen, Trump stellte einen zusätzlichen Aufschub für einen allfälligen Zwangsverkauf von drei Monaten in Aussicht. Er werde gleich am Montag eine Fristverlängerung per Präsidentenerlass verfügen. Die rechtliche Grundlage dafür ist allerdings unklar. Dem Gesetz zufolge kann der US-Präsident zwar eine Fristverlängerung von 90 Tagen gewähren. Als Voraussetzung dafür wird aber genannt, dass es aussichtsreiche Verkaufsverhandlungen gibt.
Trump wollte in seiner ersten Amtszeit einst selbst mit einer Verbotsdrohung den Verkauf von Tiktok erzwingen, scheiterte jedoch vor Gericht. Inzwischen entdeckte er sein Herz für die Plattform. Er sei auf Tiktok erfolgreich und habe im Rennen ums Weisse Haus dort viele junge Leute ansprechen können, argumentierte Trump.
Durch das Gesetz, das am Freitag vom Obersten Gericht der USA bestätigt wurde, sind allerdings auch ihm als Präsidenten die Hände gebunden. Er zeigte sich aber wiederholt überzeugt, dass er einen Deal um die App einfädeln könne. Möglicherweise könnte Tiktok zur Verhandlungsmasse im insgesamt angespannten Verhältnis zwischen Washington und Peking werden. Ein weiteres Zeichen dafür, wie hoch die Plattform inzwischen in der Gunst von Trump steht: Tiktok-Chef Shou Chew soll laut Medienberichten bei Trumps Amtseinführung am Montag dabei sein.