Pharmazölle – ein komplexes Puzzle

29.07.2025 11:08

Die EU und die USA haben ein Handelsabkommen getroffen. Das genaue Niveau der Zölle im Pharmasektor fehlt allerdings noch. Das Thema geht auch die Schweiz mit ihrer wichtigen Pharmaindustrie an. Was will Trump erreichen? Servaas Michielssens, Head of Healthcare von Candriam, sieht drei Ziele.

Ein Eigentor? Viele US-Pharmafirmen haben Produktion und geistiges Eigentum ins Ausland verlagert. (Bild: Shutterstock.com/IM Imagery)
Ein Eigentor? Viele US-Pharmafirmen haben Produktion und geistiges Eigentum ins Ausland verlagert. (Bild: Shutterstock.com/IM Imagery)

Erstens wolle die US-Regierung die Arzneimittelproduktion zurückholen, um Arbeitsplätze im eigenen Land zu schaffen und die Abhängigkeit der USA von ausländischen Lieferketten zu verringern. «Das ist Teil einer umfassenderen Initiative zur Sicherung der Wirtschaft und des Gesundheitswesens», erläutert der Healthcare-Spezialist des globalen Asset Managers mit starker Präsenz in Europa.

Zweitens gebe es einen steuerlichen Aspekt. Viele Pharmaunternehmen stellen ihre Medikamente in Ländern wie Irland her, da die dortigen Steuersysteme ihre Gesamtsteuerlast reduzieren. Eine Rückverlagerung der Produktion würde es den USA ermöglichen, höhere Einnahmen aus der Körperschaftssteuer zu erzielen.

Druck auf Medikamentenpreise

Drittens könnten Zölle als Druckmittel eingesetzt werden, um das anhaltende Problem der Preisunterschiede bei Arzneimitteln zu lösen. US-Verbraucher zahlen oft deutlich mehr als Patienten in anderen Industrienationen. Die Regierung könnte Zölle nutzen, um Unternehmen unter Druck zu setzen und diese Lücke zu schliessen. «Auch wenn Preisgestaltung und Produktion zwei verschiedene Themen sind, sind sie politisch eng miteinander verknüpft», führt Michielssens aus.

Kurzfristig hält er die Auswirkungen auf die Pharmaunternehmen für gering. Viele hätten vorsorglich ihre Lagerbestände in den USA erhöht, um sich gegen kurzfristige Versorgungsengpässe abzusichern. Mittelfristig habe die Branche mit angekündigten Investitionen von über 200 Mrd. Dollar reagiert, um die Produktionskapazität in den USA auszubauen.

Kurzfristig verkraftbar

Die Trump-Regierung hat mehrere Unternehmen öffentlich für diese Bemühungen gelobt. Damit signalisiere sie die Bereitschaft, den Unternehmen Zeit für die Umsetzung einzuräumen, bevor sie neue Zölle durchsetzt. Die Produktionsinfrastruktur lasse sich nicht über Nacht ausbauen.

Aus geschäftlicher Sicht könnten Pharmazölle weniger einschneidend sein als in anderen Branchen, versucht Michielssens aufgeschreckte Investorinnen und Investoren zu beruhigen. Aufgrund der hohen Bruttomarge könnten Pharmaunternehmen moderate Kostensteigerungen verkraften. Die Komplexität liege im Bereich der Verrechnungspreise.

«Viele Firmen weisen Arzneimitteln, die im Ausland hergestellt werden, einen hohen innerbetrieblichen Wert zu – teilweise aufgrund des damit verbundenen geistigen Eigentums. Durch diese Praxis werden Gewinne – und damit auch Steuern – in Länder mit niedrigeren Steuersätzen verlagert. Sollten Zölle eingeführt werden, würde dieser Bilanzierungsansatz vermutlich genauer geprüft werden.»

Geht der Schuss nach hinten los?

Paradoxerweise könnten US-Pharmaunternehmen stärker betroffen sein als ihre nicht in den USA ansässigen Konkurrenten, meint der Candriam-Experte. Viele US-Firmen hätten sowohl die Produktion als auch das geistige Eigentum ins Ausland verlagert, um von Steuervorteilen zu profitieren. Im Gegensatz dazu würden ausländische Unternehmen oft über erhebliche Produktionskapazitäten in den USA verfügen. «Sie haben daher weniger Anreiz, aggressive Verrechnungspreise anzusetzen.»

Pharmazölle seien schwer einzuschätzen, da die Abklärungen weiterhin laufen. Nach derzeitigem Stand könnten die Auswirkungen aufgefangen werden, weitere Details zur genauen Umsetzung seien jedoch abzuwarten, hält Michielssens fest. Insgesamt sei die Richtung klar: mehr Kontrolle der USA über die pharmazeutische Lieferkette, höhere Steuereinnahmen und das Potenzial, zusätzliche Zölle als Druckmittel bei den Arzneimittelpreise zu nutzen.

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