«Dienstleistungsinflation ist die beste Messgrösse»

29.11.2024 13:56

«Die Inflation im Euroraum steigt, aber die Daten ermöglichen der EZB einen geldpolitischen Kurswechsel», schreibt Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa bei T. Rowe Price in seinem aktuellen Marktkommentar.

Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa bei T. Rowe Price über den Kurswechsel der EZB. (Bild pd)
Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa bei T. Rowe Price über den Kurswechsel der EZB. (Bild pd)

Die HVPI-Inflation im Euroraum stieg im Oktober auf 2,3 %, wie vom Marktkonsens erwartet. Zu diesem Anstieg trugen vor allem die Basiseffekte im Energiebereich bei. Wichtig ist für den Experten, dass die VPI-Kerninflation bei 2,7 % blieb, während ein Anstieg auf 2,8 % erwartet wurde. Die Dienstleistungsinflation schwächte sich geringfügig ab, wobei der Anstieg der Kerninflation bei Waren der Hauptgrund dafür war, dass die Kerninflation nicht weiter zurückging.

Dass die Dienstleistungsinflation nicht weiter angestiegen ist, dürfte die EZB sehr begrüssen. Die saison- und arbeitstäglich bereinigten Daten der EZB zeigen, dass die HVPI-Inflation im Dienstleistungssektor im Monatsvergleich auf -0,07 % gesunken ist und damit die schwächste saisonbereinigte Dienstleistungsinflation im November verzeichnet wurde. Dies ist für Wieladek insofern von Bedeutung, als die Dienstleistungsinflation die beste Messgrösse für den zugrunde liegenden Inflationsdruck in der Wirtschaft ist.

Eine gemässigtere Politik

Zusammen mit anderen Daten werde es dies der EZB ermöglichen, auf der Sitzung im Dezember eine gemässigtere Politik einzuschlagen. Im Laufe des letzten Monats zeichnen eine Reihe weiterer Daten das Bild einer anhaltenden Konjunkturschwäche, die ein energischeres Eingreifen der EZB erforderlich machten. Der Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen fiel im November um fast zwei Punkte und überraschte die Finanzmärkte und die EZB deutlich nach unten.

Obwohl Umfragen zum Verbrauchervertrauen einen erwarteten Anstieg der Inflation zeigen, zeigen sie auch, dass die Angst der Haushalte vor Arbeitslosigkeit schnell zunimmt. In der Vergangenheit waren grosse Bewegungen bei Letzterem ein hervorragender Frühindikator für die tatsächliche Arbeitslosigkeit im Euroraum in den folgenden sechs Monaten.

Vorsorgliche Senkung

Alle jüngsten Umfragen deuten auf eine anhaltendere wirtschaftliche Schwäche hin als erwartet. Die EZB wird laut dem Experten daher wahrscheinlich auf der Pressekonferenz im Dezember ihre Sprache ändern. Zumindest werde die EZB die Hinweise auf die Notwendigkeit einer restriktiven Politik fallen lassen. Angesichts des starken Anstiegs der wirtschaftspolitischen Unsicherheit im vergangenen Monat sei es jedoch wahrscheinlich, dass sich die Daten weiter stärker abschwächen als erwartet.

Schliesslich seien die Anreize für Haushalte und Verbraucher, mit Ausgaben und Investitionen zu warten, sehr stark, bis mehr Klarheit in der innenpolitischen Landschaft und in den neuen Handelsbeziehungen mit den USA herrsche. «Diese Schwäche der Wirtschaftsdaten bedeutet, dass die EZB wahrscheinlich im Januar oder März präventiv um 50 Basispunkte senken wird. Dies wird eine vorsorgliche Senkung sein, und die EZB wird sagen, dass dies notwendig ist, um eine Rückkehr zur Nullzinsgrenze zu verhindern», so das Fazit.

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