«Die Erfolgsfaktoren der europäischen Banken»

14.03.2025 15:41

«Es dürfte niemandem entgangen sein, dass der europäische Bankensektor in diesem Jahr die berühmten Mag7 übertrifft. Doch dies gilt auch, wenn man den Zeitraum auf die letzten drei Jahre ausweitet», schreibt Pierre Pincemaille, Portfoliomanager bei DNCA Invest, einer Tochtergesellschaft von Natixis IM. «Wie kommt es, dass das Symbol europäischer Value-Werte, das von Investoren lange kritisiert wurde, die weltweite Elite im Wachstumssegment übertrifft? Und vor allem: Ist dieser Trend nachhaltig?», fragt er sich.

Pierre Pincemaille, Portfoliomanager bei DNCA Invest über die Aussichten der europäischen Banken. (Bild pd)
Pierre Pincemaille, Portfoliomanager bei DNCA Invest über die Aussichten der europäischen Banken. (Bild pd)

Um die erste Frage zu beantworten, reiche ein Blick auf die Zahlen: Im vierten Quartal haben alle europäischen Banken Umsätze über den Konsensprognosen veröffentlicht (im Durchschnitt um 4 Prozent höher). Selbst die Société Générale, das «schwarze Schaf der Branche», befindet sich unter der Führung ihres neuen CEO Slavomir Krupa im Aufschwung. Krupa hat eine Neuausrichtung der Gruppe und eine tiefgreifende Umstrukturierung eingeleitet, deren erste Erfolge sich bereits zeigen – etwa durch eine gestärkte Kapitalposition (CET1 bei 13,3 Prozent Ende 2024) und eine verbesserte Rentabilität (ROTE über 8 Prozent in diesem Jahr).

Allgemeiner betrachtet war es das Ende der «unkonventionellen» Geldpolitik der EZB, das den entscheidenden Wendepunkt markierte. Diese Politik hatte, wie der ehemalige Gouverneur der Banque de France Jacques de Larosière 2022 schrieb, verheerende Nebeneffekte auf die Rentabilität des Sektors: «Zu niedrige Zinsen – wie wir sie in Europa seit zehn Jahren kennen – sind in Wahrheit äusserst gefährlich. Sie schwächen das Bank- und Finanzsystem.» Die Kehrtwende war so abrupt, dass der Konsens seine Schätzungen in den letzten drei Jahren kontinuierlich nach oben korrigieren musste.

Nachhaltigkeit des Trends und Zukunftsperspektiven

Betrachte man die Nachhaltigkeit dieses Trends, gibt es laut dem Experten mehrere Faktoren, die weiterhin zugunsten dieses Sektors wirken, der nach wie vor stark zyklisch ist. Trotz der allgemeinen pessimistischen Stimmung verbessern sich die Kreditvergabe-Statistiken im Euroraum Monat für Monat. Die zuletzt von der EZB veröffentlichten Zahlen zeigen ein Wachstum der ausstehenden Kredite an den privaten Sektor von 2,3 Prozent (im Jahresvergleich), nach +2 Prozent im Dezember und +1,5 Prozent im November. Diese Zahlen decken sich mit den Wachstumsprognosen der wichtigsten Banken der Region, die bei den Jahresveröffentlichungen vorgestellt wurden.

Auch die Entwicklung der Leitzinsen der EZB, die eine entscheidende Rolle für die Rentabilität des klassischen Bankgeschäfts spielt, wirkt sich positiv auf den Sektor aus. Ende letzten Jahres erwartete der Markt einen Rückgang der kurzfristigen Zinsen um mehr als 100 Basispunkte im Jahr 2025. Nach der letzten EZB-Sitzung, die mit einer Senkung um 25 Basispunkte endete, erwarten die Investoren nun nur noch einen kumulierten Rückgang um 75 Basispunkte in diesem Jahr. Dies entspricht einer Annäherung an die Mitte der von den EZB-Teams festgelegten Spanne neutraler Zinssätze (2,25 % bis 1,75 %).

Seit der Finanzkrise 2008 wirkte die Regulierung gemäss Pincemaille «als Gegenwind für den Bankensektor». Doch da die USA die Umsetzung der Basel-III-Vorschriften hinauszögern, zeichne sich eine Stabilisierung der Lage ab. Tatsächlich haben mehrere Mitglieder des EZB-Rats die Kommission aufgefordert, die Vorschriften zu vereinfachen – aus Sorge vor einem Wettbewerbsnachteil gegenüber den US-Banken. Dies dürfte die Erwartungen an eine stärkere Ausschüttung an die Aktionäre durch grosszügige Dividenden (durchschnittlich 6 Prozent Dividendenrendite) und Aktienrückkäufe weiter stützen.

Bewertung und Marktposition: Chancen und Risiken

Schliesslich bleibe das Thema Konsolidierung eine «kostenlose Option» für den Sektor. Auch wenn Europa den Rückstand seiner Branche gegenüber den US-Giganten wie JPMorgan und Goldman Sachs beklagt, bremsen die lokalen Regierungen die Entstehung von «Eurozonen-Champions» aus. Dies erkläre wohl auch die Unfähigkeit der Investoren, potenzielle Vorteile durch Skaleneffekte angemessen zu bewerten. Doch diese notwendige Konsolidierung müsse nicht zwangsläufig grenzüberschreitend sein, wie der Versuch von Unicredit bei der Commerzbank zeigt. Die Konsolidierung nach Geschäftsbereichen – ein Modell, das Crédit Agricole mit Amundi und Caceis erfolgreich umgesetzt hat – oder nationale Zusammenschlüsse seien ebenfalls Alternativen.

Auch wenn der Sektor in diesem Jahr an der Börse gut abgeschnitten hat, bleibt der Vergleich des P/TNAV-Verhältnisses mit dem ROTE für europäische Werte günstig: 1,1x für eine Eigenkapitalrendite von 14 Prozent im Jahr 2026, was einem impliziten Eigenkapitalkostensatz von 12 Prozent entspricht, so die UBS-Analysten. Das liegt 15 Prozent über dem Niveau vor der Covid-Krise, obwohl der durchschnittliche ROTE damals 40 Prozent niedriger war! Wenig überraschend ist gemäss Pincemaille der Bewertungsunterschied zu den US-Pendants signifikant, auch wenn die unterschiedlichen Geschäftsmodelle einen direkten Vergleich erschweren.

«Die letzte Anlegerumfrage von Bank of America zeigt, dass Investoren stark übergewichtet in diesem Segment des europäischen Aktienmarktes positioniert sind. Doch abgesehen von einer möglichen technischen Korrektur auf kurze Sicht zeigen die Zahlen weiterhin ein Aufwärtspotenzial für diesen Sektor, der sich – still und leise – aus der Value-Trap befreit», so das Fazit des Experten.

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