«Zusätzlich zu internen Herausforderungen müssen Treasurer mit sich ändernden Vorschriften, neuen Technologien und globalen Marktveränderungen Schritt halten. Der Schlüssel liegt darin, vielversprechende Chancen von Ablenkungen zu trennen und gleichzeitig die täglichen Anforderungen neben den langfristigen Zielen zu bewältigen», schreiben Annelinda Koldewe, Global Head, Payments & Cash Management und Natalia Heidendal, Head of Transaction Services bei ING Switzerland.
Die Schweiz bietet ein stabiles und gut reguliertes Umfeld für Treasury-Operationen. Ihre starke Wirtschaft, die niedrige Inflation und der Ruf des Schweizer Frankens als sichere Währung machen sie zu einer zuverlässigen Basis für das Liquiditäts- und Risikomanagement. Echtzeit-Zahlungssysteme und liquide Kapitalmärkte unterstützen zusätzlich effiziente Abläufe in der Schweiz.
Die Schweiz ist strategisch günstig gelegen und bietet nahtlosen Zugang zu europäischen und globalen Märkten. Obwohl sie kein EU-Mitglied ist, verfügt sie durch die Teilnahme an Systemen wie dem einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) und TARGET2 über eine starke finanzielle Interoperabilität. Ihre politische Neutralität in Verbindung mit einer erstklassigen Infrastruktur und ihrer Offenheit für Innovationen macht sie zu einem attraktiven Standort für regionale Finanzzentren.
Die Einführung der Strategie «Digital Switzerland 2025», die KI, Cybersicherheit und Blockchain im Finanzdienstleistungsbereich fördert, gibt eine klare Richtung vor, wie sich die Branche an neue Technologien anpassen wird.
Sowohl die EU als auch die Schweiz treiben die Digitalisierung im Finanzbereich voran. Mit ihrer Strategie für digitale Finanzen will die Europäische Kommission die Fragmentierung verringern, Innovationen fördern und die Finanzsysteme auf Technologien wie KI und Blockchain vorbereiten. Die Schweiz verfolgt ihre eigene digitale Agenda ausserhalb des EU-Rahmens. Während ihre Ziele – wie die Steigerung der Effizienz und die Förderung der Digitalisierung – mit denen der EU übereinstimmen mögen, gehen die Wege zu ihrer Erreichung manchmal auseinander.
Unterschiedliche Entscheidungen können zu unterschiedlichen Wegen führen. Der Top-down-Regulierungsansatz der EU im Bereich Open Banking steht im Gegensatz zum marktorientierten Modell der Schweiz und bietet zwei unterschiedliche Perspektiven. Die PSD2-Richtlinie der EU legte den Grundstein für Open Banking und schrieb den Zugang zu Kontoinformationen und Zahlungsauslösung für Drittanbieter von Zahlungsdiensten vor.
Dies hat neue Zahlungswege und Erkenntnisse für Unternehmen ermöglicht. Die Schweiz hat sich dafür entschieden, solche Anforderungen nicht zu stellen, sondern überlässt es der Branche, zu entscheiden, ob Drittanbieter von Zahlungsdiensten Zugang zu Finanzdaten erhalten. Open Finance kann eine neue Ära der Vernetzung einläuten – durch nahtlose Datenintegration innerhalb von Finanzdienstleistungen und Echtzeit-Einblicke, die innovative Customer Journeys ermöglichen und B2B-Ökosysteme verbessern.
Dazu gehört auch der Übergang von proprietären Banking-Plattformen zu einem automatisierten Datenaustausch, bei dem Informationen direkt in Multibank-Software eingespeist werden, was eine höhere Transparenz, Kontrolle und sofortige Einblicke ermöglicht und die Dateninfrastruktur des Unternehmens weiter stärkt. Sowohl in der Schweiz als auch in der EU haben Unternehmensfinanzabteilungen begonnen, APIs als Verbindungsmethode einzuführen, aber es sind keine strukturellen Veränderungen in den Finanzprozessen zu beobachten.
Obwohl einige Trends grenzüberschreitend sind, prägen nach wie vor nationale Standards den täglichen Betrieb. So vereinfacht beispielsweise die Schweizer QR-Rechnung die Rechnungsstellung und Zahlungen und reduziert den manuellen Aufwand durch die Einbettung strukturierter Daten in einen QR-Code. Diese einzigartige Schweizer Lösung ermöglicht Zahlungen in Euro oder Schweizer Franken über mehrere Kanäle. Die Verwendung strukturierter Referenzen unterstützt die automatisierte Abstimmung und erhöht die Effizienz und Genauigkeit von Inlandstransaktionen. Die Bereitstellung lokaler Zahlungsmethoden für Kunden multinationaler Unternehmen bleibt wichtig, um die eingehenden Cashflows zu optimieren.
Open Banking und APIs in Kombination mit Sofortzahlungen helfen Treasurer, schnellere Erkenntnisse zu gewinnen und ihre Gelder besser zu kontrollieren. Dies ist entscheidend, um das volle Potenzial des Liquiditätsmanagements auszuschöpfen. Das 2017 eingeführte SEPA-Sofortüberweisungsverfahren war ein wegweisender Schritt in Richtung grenzüberschreitender Echtzeit-Zahlungen in Europa. Nun könnte die Verordnung über Sofortzahlungen (Instant Payment Regulation, IPR) der notwendige Katalysator sein, um die Akzeptanz weiter voranzutreiben.
Im Rahmen der IPR müssen Zahlungsdienstleister in der gesamten EU das Senden und Empfangen von Sofortzahlungen in Euro unterstützen, welche nicht mehr auf 100’000 Euro begrenzt sind. Um operationelle Risiken zu mindern und Betrug zu bekämpfen, führt die IPR die Überprüfung des Zahlungsempfängers (Verification of Payee, VoP) ein. SEPA-Standard- und Sofortüberweisungen unterliegen zusätzlichen Kontrollen, um zu bestätigen, dass die Angaben zum Zahlungsempfänger mit dem Namen und der IBAN des Kontoinhabers übereinstimmen. Unternehmen müssen einen Ansatz für die Umsetzung der VoP im Zusammenhang mit Sammelzahlungen festlegen, da die Verordnung die Möglichkeit vorsieht, die VoP für jede Ausführung zu deaktivieren.
In der Schweiz gewinnen Sofortzahlungen an Boden, aber die Einführung verläuft langsamer. Seit August 2024 sind die grössten Schweizer Banken verpflichtet, Sofortzahlungen zu verarbeiten, und bis Ende 2026 sollen alle Zahlungsdienstleister für Privatkunden erreichbar sein. Bislang lässt sich die begrenzte Akzeptanz auf dem Schweizer Markt möglicherweise durch das Fehlen eines starken regulatorischen Impulses erklären.
Im Mai 2025 machten Sofortzahlungen weniger als 0,5 Prozent der Transaktionen aus, womit das Land bei der Nutzung von Echtzeitabrechnungen hinter der EU zurückblieb, wo der Anteil der Sofortzahlungen im Jahr 2025 über 26 Prozent des gesamten SEPA-Überweisungsvolumens ausmachte. Faktoren wie die ursprünglich eingeführte Transaktionsobergrenze von 20’000 Franken (mit der Möglichkeit höherer Limits nach Vereinbarung) und das Fehlen einer vorgeschriebenen Gebührenparität könnten eine breitere Nutzung weiter behindern, insbesondere bei hochwertigen und wiederkehrenden B2B-Transaktionen.
Da sowohl die EU als auch die Schweiz Vorschriften einsetzen, um die Einführung von Sofortzahlungen weiter voranzutreiben, besteht der erste Schritt bei der Erwägung der Einführung von Sofortzahlungen darin, zu prüfen, ob in den Geschäftsprozessen des Unternehmens ein Bedarf dafür besteht. Die Vorteile sind überzeugend: keine Cut-off-Zeiten, die das Transaktionsfenster einschränken, die Möglichkeit, innerhalb von Sekunden Geld von Kunden einzuziehen, und die Fähigkeit, zeitkritische Transaktionen sofort zu verarbeiten, einschliesslich sofortiger Rückerstattungen an Kunden. Sie eröffnen Möglichkeiten für ein verbessertes Liquiditätsmanagement durch die Konzentration von Geldern in Echtzeit über Banken, Unternehmen und Grenzen hinweg.
Dies ist besonders wertvoll in Zeiten erhöhter Unsicherheit und volatiler Marktbedingungen.Solche Vorteile sollten gegen die betrieblichen Anforderungen abgewogen werden. Die verkürzte Bearbeitungszeit von Sofortzahlungen schränkt die Zeit für die Betrugserkennung ein. Das Treasury-Team könnte gezwungen sein, eingehende Transaktionen ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten zu bearbeiten und zu entscheiden, ob dies Anpassungen der internen Prozesse erfordert.
Für eine positive Bestätigung mit der Überprüfung des Zahlungsempfängers ist eine einwandfreie Datenverarbeitung von entscheidender Bedeutung. Alles beginnt damit, dass die Rechnungen mit den richtigen Namen versehen und die eigenen Systeme oder Bankanwendungen aktualisiert werden. In diesem Sinne fördert die Überprüfung des Zahlungsempfängers die Notwendigkeit der Datenkonsistenz und -genauigkeit und unterstützt die Effizienz des Abstimmungsprozesses.
Während Sofortzahlungen dem Bedarf an Geschwindigkeit gerecht werden, konzentrieren sich die meisten Rahmenwerke weiterhin auf inländische Transaktionen – oder, im Falle von SEPA, auf regionale Transaktionen. Grenzüberschreitende Zahlungen entwickeln sich zwar weiter, hinken jedoch in Bezug auf Geschwindigkeit und Effizienz weiterhin hinterher. SEPA One-Leg-Out könnte sich zu einer Möglichkeit entwickeln, um sofortige grenzüberschreitende Zahlungen in die EU zu empfangen, abhängig von der Akzeptanz durch die Bankengemeinschaft. Die heutigen technologischen Fortschritte stellen die traditionellen Modelle der internationalen Abwicklung in Frage. Digitale Zahlungen mit Stablecoins oder CBDCs könnten eine Alternative für inländische und grenzüberschreitende Zahlungen sein.
Europa untersucht aktiv die Blockchain und ihr Potenzial zur Unterstützung der Finanzindustrie. Die Schweiz gehörte mit ihrem DLT-Gesetz von 2021 zu den ersten Ländern, die die Blockchain reguliert haben, und treibt die digitale Innovation in der Finanzindustrie durch Experimente mit digitalen Vermögenswerten weiter voran.
Die EU ist mit MiCAR gefolgt, das durch regulatorische Klarheit die Einführung digitaler Zahlungsmethoden beschleunigen soll. Digitale Vermögenswerte profitieren von den Eigenschaften der Blockchain, die für Finanzdienstleistungen vielversprechend sind. Mit ihrer Fähigkeit, Transaktionen sofort zu verarbeiten, dürfte diese Technologie beispielsweise eines der Hauptprobleme bei grenzüberschreitenden Zahlungen lösen. Die Programmierbarkeit ermöglicht eine automatisierte Ausführung auf der Grundlage vordefinierter Regeln, und die Unveränderlichkeit bedeutet, dass die zur Blockchain hinzugefügten Informationen unverändert bleiben. Dennoch muss die Anwendung dieser Vorteile durch Experimente und Anwendungsfälle aus der Praxis nachgewiesen werden.
Bei ING setzen wir unseren selektiven Ansatz und unsere experimentellen Bemühungen fort, wobei wir uns auf die Validierung der Nachfrage professioneller Kunden und die operative Bereitschaft konzentrieren. Zu diesem Zweck suchen wir aktiv die Zusammenarbeit mit unseren Kollegen, um Branchenstandards zu entwickeln und das Vertrauen, die Effizienz und die Skalierbarkeit der Infrastruktur zu stärken.
Das digitale Ökosystem umfasst nun auch die digitale Identität. Die EU-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS) führt die Europäische Digitale Identitätsbörse (EU-DIW) ein, die Privatpersonen und Unternehmen sichere digitale Ausweise zur Verfügung stellt.
Mit dem Beitritt neuer Länder umfasst der einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) nun 41 europäische Länder, wodurch die Reichweite einheitlicher Zahlungslösungen weiter ausgebaut wird. Erst kürzlich wurde der Beitritt Bulgariens zum Euro-Währungsgebiet mit Wirkung zum 1. Januar 2026 genehmigt. Für Treasurer könnte dies eine Neubewertung der Cash-Management-Strukturen erforderlich machen, einschliesslich der Zentralisierung der Euro-Zahlungsströme, der Neugestaltung der Kontostrukturen zur Rationalisierung der Bankkonten und Bankpartner sowie der Anpassung der internen Systeme an neue Berichts- und Liquiditätsanforderungen. Mit seiner breiten paneuropäischen Reichweite hat SEPA die Effizienz zwischen den Zahlungsdienstleistern verbessert, insbesondere im Hinblick auf die Abwicklung.
Andererseits hat der Rückgang der Bargeldnutzung weltweit den Übergang zu digitalen Zahlungen beschleunigt, insbesondere bei Einzelhandelsgeschäften. Dies hat Fragen zur Währungshoheit und zur Rolle des Zentralbankgeldes als finanzieller Anker aufgeworfen.
Im Vordergrund steht derzeit das EU-Pilotprojekt zur Entwicklung einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC) für Privatkunden und Unternehmen. Ursprünglich konzentrierte sich das Projekt darauf, die Rolle des Zentralbankgeldes in einer zunehmend digitalen Wirtschaft zu sichern. Angesichts der zunehmenden geopolitischen Instabilität hat sich der Fokus jedoch auf die Verringerung der Abhängigkeit Europas von internationalen Kartensystemen, die Stärkung der Position des Euro und die Festigung der «offenen strategischen Autonomie» der EU verlagert.
Gleichzeitig strebt die European Payment Initiative, die ursprünglich von französischen, deutschen, niederländischen und belgischen Banken unterstützt wurde, die Bereitstellung von Peer-to-Peer-, Online- und In-Store-Zahlungslösungen an, die mit Kartensystemen konkurrieren können. Für Unternehmen im B2C-Bereich könnte dies eine zusätzliche Möglichkeit zur Einziehung von Bargeld in Europa bieten. Die Schweiz geht mit dem Projekt Helvetia ihren eigenen Weg und konzentriert sich ausschliesslich auf eine Wholesale-CBDC, die für Interbank-Transaktionen und nicht für den Einzelhandel konzipiert ist. Mit dem Projekt will die Schweiz die Finanzmarktinfrastruktur durch Blockchain-basierte Lösungen sicherer und effizienter machen.