Ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung versteht die Funktionsweise der beruflichen Vorsorge kaum. Das zeigt eine Umfrage von Raiffeisen. Demnach überfordert die Komplexität der 2. Säule viele.
Der Erhebung von Raiffeisen und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigt, viele Befragte geben an, Begriffe wie «Altersrente» oder «Altersguthaben» zu verstehen, doch bei technischen Details endet das Wissen oft. Nur 38 Prozent wissen, dass ein grosser Teil der Altersleistungen von den Renditen der Pensionskassen stammt. Fast ein Drittel glaubt fälschlicherweise, Pensionskassen würden die Gelder gar nicht anlegen.
Laut dem zum achten Mal erscheinenden Vorsorgebarometer kennt weniger als die Hälfte der Befragten den Begriff «Umwandlungssatz». Bei Teilzeitarbeitenden weiss nur ein Drittel, was mit dem «Koordinationsabzug» gemeint ist, wie es in einer Mitteilung hiess.
Besonders die Komplexität der 2. Säule hemmt laut den Studienautoren fundierte Entscheidungen - etwa beim Entscheid zwischen monatlicher Rente oder Kapital auf einen Schlag. Heute bevorzugen 36 Prozent der Erwerbstätigen die monatliche Rente. 18 Prozent würden ihr gesamtes Guthaben als Kapital beziehen, knapp ein Drittel würde die Mischform wählen.
Immerhin drei Viertel der Versicherten geben an, dass sie die Höhe ihres Pensionskassenguthabens genau oder ungefähr kennen. Markant ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern: Während 42 Prozent der Männer ihr Guthaben nach eigenen Angaben exakt überblicken, sind es bei den Frauen nur 24 Prozent.
Der Trend zum Kapitalbezug hält an, doch auch die Unsicherheit nimmt zu: 17 Prozent der Erwerbstätigen wissen nicht, welche Bezugsform sie wählen sollen. 2018, als der Barometer erstmals erstellt wurde, waren es noch 4 Prozent.
Befragte im Rentenalter, die ihr Pensionskassenguthaben ganz oder teilweise als Kapital bezogen haben, parkierten im Schnitt 35 Prozent des bezogenen Kapitals auf einem Konto, 33 Prozent wurden investiert und 11 Prozent zur Amortisation einer Hypothek genutzt. Hierbei zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Vorsorgewissen und Anlageverhalten. Personen mit höherem Vorsorgewissen investieren ihr Geld häufiger, während Personen mit geringerem Wissen das Konto bevorzugen.
Laut Raiffeisen besteht akuter Aufklärungsbedarf. Die Studie zeigt: Wer mehr über das System weiss, trifft tendenziell bessere Entscheidungen, etwa bei der Kapitalanlage oder der Nutzung von Wahlmöglichkeiten wie freiwilligen Einkäufen. Flexible Rentenmodelle stossen zwar auf Interesse, erhöhen aber ebenfalls die Komplexität.
Die Autoren fordern deshalb gezielte Information und Beratung auch durch Politik und Bildungseinrichtungen. Nur so lasse sich verhindern, dass eine zentrale Säule des Schweizer Vorsorgesystems für weite Teile der Bevölkerung eine Blackbox bleibt.
Das Vorsorgebarometer basiert auf einer vom 16. Mai bis 2. Juni 2025 durchgeführten Online-Bevölkerungsbefragung. Daran nahmen 1000 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren teil.