Während sich der Venture Capital-Markt in den USA weiter erholt, harzt es in der Schweiz. Am Swiss Alternative Investment Forum (SAIF) in Zürich wurden Lösungen diskutiert, um in der Schweiz mehr Innovationspotential freizusetzen.
Globale Venture Capital (VC)-Investitionen zeigten im Jahr 2024 solide Zeichen der Erholung (370 Milliarden USD in 43’000 Unternehmen) im Vergleich zu 2023 (350 Milliarden USD in 36’000 Runden). Dies wurde stark durch den globalen Wettlauf um KI-Deals (künstliche Intelligenz) vorangetrieben. «Dieses Niveau liegt jedoch nach wie vor unter dem aussergewöhnlichen Ausreisser des Jahres 2021 (751 Milliarden USD in 57’000 Runden)», schreibt das Swiss alternative Investment Forum (SAIF) in der Zusammenfassung zum Jahresevent, das soeben in Zürich stattgefunden hat.
Das investierte VC-Kapital im Jahr 2024 wird laut SAIF immer noch von den Vereinigten Staaten dominiert, mit 69 Prozent gegenüber 21 Prozent Asiens und 17 Prozent Europas. Es ist relevant zu verstehen, dass der mittlere Betrag, der in jeder Phase des Lebenszyklus eines Start-ups/Scale-ups in den USA investiert wird, viel höher ist, im Vergleich zu jedem anderen Land der Welt. Etwa 60 Prozent des gesamten investierten Kapitals in den USA stammt aus sogenannten «Mega-Runden», die über 100 Millionen USD liegen. Europa und Asien haben 2024 5 bis zehnmal weniger Kapital in solchen Mega-Runden investiert, während die Schweiz nur 1 hatte (Alentis Therapeutics 180 Millionen USD).
Schweizer Gründer von wissens- und technologie-basierten Unternehmen hatten es im Jahr 2024 schwer, Eigenkapital zu beschaffen, wurde am Event bedauert. Die Venture Capital-Investitionen in Schweizer Start-ups fielen im Jahr 2024 auf 2,4 Milliarden CHF, verglichen mit 2,6 Milliarden CHF im Jahr 2023, ein Rückgang um 8,5 Prozent. Auch die Anzahl der Finanzierungsrunden fiel erstmals im Jahresvergleich um 10 Prozent auf 357 Runden im Jahr 2024, gegenüber 397 im Jahr 2023. Besonders die ICT- und Fintech-Sektoren in der Schweiz fielen erneut stark im Vergleich zum Rekordjahr 2022. Der Mikro- und Nanotechniksektor hielt sich, während der IT-Gesundheitssektor den Rückgang des Vorjahres korrigieren konnte und ein starkes Wachstum verzeichnete. Der Biotechsektor ist definitiv auf dem Weg der Erholung: Er zog im Jahr 2024 739 Millionen CHF an, 50 Prozent mehr als 2023.
Die Herausforderung in den letzten zwei bis drei Jahren war die Liquidität solcher Venture- und Wachstumskapital, da es weltweit einen signifikanten Rückgang der IPOs (öffentlichen Börsengänge) gab und die Übernahmen durch grosse Unternehmen ebenfalls rückläufig waren. Dadurch stand weltweit weniger Kapital für Reinvestitionen in neue Deals und/oder VC-Fonds zur Verfügung. «Es sei eine Realität, dass die grösseren europäischen Start-ups/Scale-ups, die an die Börse gehen, meist an der US-Nasdaq landen und weniger an einer europäischen Börse», wurde am Forum moniert.
Daher könne es für Europa sinnvoll sein, eine einzige «Nasdaq»-ähnliche Börse mit dem gesamten erforderlichen Ökosystem zu schaffen. Wenn es um die Übernahmen innovativer Start-ups/Scale-ups gehe, seien die führenden Akteure nach wie vor die amerikanischen Technologiekonzerne/MNCs. Historisch gesehen stammen 19 der «Top 25 Global Fortune 500 Multinationals» aus den Vereinigten Staaten, davon 9 aus dem Silicon Valley (Google, Microsoft, Cisco, Apple, IBM, Intel, HP usw.). Aus der Schweiz schaffen es Novartis und Roche in die Top 25.
Bemerkenswert sei, dass die Venture Capital-Performance Europas in den letzten 15 Jahren im Vergleich zu den USA erstaunlich gut war und dennoch fast unbemerkt blieb. Der Netto-Median-IRR der besten Quartil-VC-Fonds in Europa lag bei etwa 20 bis 22 Prozent und übertraf damit die USA deutlich. Daher müssen öffentliche Investoren, Pensionskassen und Familienunternehmen nicht mehr in amerikanische Unternehmen investieren, um grossartige Renditen zu erzielen. Es könnte ratsamer sein, in europäische und Schweizer Start-ups/Scale-ups zu investieren, entweder über VC-Fonds oder direkte Deals.
Dank der ETH in Zürich (fast 400 Startup-Spin-outs) belegt dieses führende Technologie-Kraftpaket klar den ersten Platz, weit vor jeder anderen europäischen Top-Universität wie Oxford oder Cambridge. Daher rangiert die Schweiz in Europa, gemeinsam mit Deutschland, auf Platz 2 hinter Grossbritannien, wenn es um universitäre Spin-outs (Start-ups) geht.
Historisch gesehen ist «Wachstumskapital» in Europa und der Schweiz ein grosses Nadelöhr. Amerikanische und asiatische institutionelle Investoren und Pensionskassen haben die bemerkenswerte Kapazität der Technologie-Start-ups und unternehmerischen Unternehmen in Europa erkannt. Daher stammt etwa 50 Prozent des in Spätphasen-Deals (über 50 Millionen USD) investierten Kapitals aus den USA und Asien. Europa und insbesondere die Schweiz sollten eine signifikante Erhöhung der Finanzierung durch Pensionskassen und Stiftungen in Betracht ziehen, um innovative Pharma-/Biotech- und Deep-Tech-Unternehmen zu schaffen und Arbeitsplätze in der Region/des Landes zu erhalten.
Es könnte sich laut dem Organisator des SAIF, Alexander Lindemann von Lindemann Law AG, sogar lohnen, ein sehr professionell verwaltetes Vehikel in der Schweiz für die Schweizer Pensionskassen einzurichten, wo eine spezielle Plattform alle Deals für alle oder die meisten Pensionskassen abwickeln könnte, da der Investitionsprozess in Venture Capital ziemlich komplex ist und ein spezielles Fachwissen erfordert. Die Ergebnisse werden sich auf lange Sicht auszahlen, da die überlegenen Renditen aus Venture Capital-Investitionen nicht nur die Innovationskapazität der Schweiz als Nation stärken, sondern auch erstaunliche neue Arbeitsplätze schaffen können.
Angesichts der alternden Bevölkerung in der Schweiz kann der Druck, den monatlichen/jährlichen Beitrag der Schweizer Erwerbsbevölkerung und ihrer Arbeitgeber zu erhöhen, um die Rentenbeiträge für die Rentner langfristig zu zahlen, leicht gelöst werden. Wenn Schweizer Pensionskassen einen kleinen Prozentsatz ihres riesigen Pensionskapitals in Venture Capital investieren würden, könnte die Schweiz nicht nur ein langfristiges Problem für ihr Rentensystem lösen, sondern gleichzeitig Wunder für die Schaffung von Arbeitsplätzen und ihre globale Wettbewerbsfähigkeit im Bereich Innovation und Technologie bewirken.
Sekundärfonds im Bereich Private Equity und Venture Capital erreichten rekordhohe Marktvolumen von 155 Milliarden USD und übertrafen damit den vorherigen Rekord von 135 Milliarden USD im Jahr 2021 um 15 Prozent. «Es ist schwer, Geld zu verlieren», erklärte Markus Benzler, Global Head Multi-Manager Private Equity bei UBS, in Bezug auf das aktuelle Marktumfeld für Sekundärfonds-Investitionen.
Immanuel Rubin, Partner bei Campbell Lutyens, fügte hinzu: «Jeder verkauft». Geschlossene Fonds werden im aktuellen Marktumfeld mit einem Abschlag auf ihre Bewertung verkauft, meist um Kapitalgewinne zu realisieren, aber auch weil Investoren Liquidität benötigen oder Verpflichtungen stornieren. Sekundärfonds-Investitionen erfordern eine rechtliche und steuerliche Due Diligence.
Obwohl die Schweizer Gesetzgebung es erlaubt, bis zu 15 Prozent der Portfolios der Pensionsfonds in alternative Anlagen (ausser Immobilien) zu investieren, halten Schweizer Pensionsfonds in der Regel weit weniger als diese Allokation. Mit der jüngsten Volksabstimmung, die die jüngste Schweizer Rentenreform aufhob, stehen die Pensionskassen unter Druck, höhere Renditen zu erzielen und gleichzeitig die Risiken in ihrem Kapazitätsbereich zu halten.
Sandra Cafazzo, sowohl Leiterin des institutionellen Geschäfts bei Zurich Invest als auch Präsidentin der CFA Society Switzerland, Alexander Schlaepfer, Managing/Investment Partner bei Swisscom Ventures, Oliver Grimm, Leiter Mandate bei der Pensionskasse Stadt Zürich, und Mirjana Wojtal, CEO der CFA Society Switzerland, zeigten, wie diese Anlageklasse dazu beitragen könnte, diese Herausforderung zu meistern, wenn sie mit Best Practices in der Investment Governance kombiniert wird. Die Anzahl der Schweizer Pensionskassen wird voraussichtlich weiter abnehmen, um eine effiziente Unternehmensführung und Skaleneffekte zu ermöglichen.