Rothschild&Co: «Make Europe Great Again»

25.03.2025 18:53

«Weit entfernt vom Konjunkturkonsens nach den US- Wahlen scheint sich Europa seit Anfang des Jahres an der Wall Street rächen zu wollen», schreiben Anthony Bailly, Head of European Equity und Vincent Iméneuraët, European Equities Portfolio Manager bei Rothschild&Co.

Anthony Bailly, Head of European Equity bei Rothschild&Co Asset Management. (Bild pd)
Anthony Bailly, Head of European Equity bei Rothschild&Co Asset Management. (Bild pd)

Die starke Überperformance des europäischen Marktes beschleunigte sich nach Bedenken über den möglichen Verlust der US-Militärunterstützung. Wie oft bei Widrigkeiten habe Europa seine Bindungen gestärkt und mit Einheit reagiert, wobei es den Willen demonstrierte, sich von der US-Verteidigungsaufsicht zu lösen.

Die Europäische Union hat einen umfassenden Plan zur Aufrüstung der Region gestartet. Zudem hat Friedrich Merz vorgeschlagen die neue fiskalische Flexibilität zu nutzen, um sowohl ein deutsches Infrastruktur-Stimulusprogramm als auch erhebliche Militärausgaben umzusetzen.

Diese fiskalische Unterstützung, die voraussichtlich das europäische Wachstum ankurbeln wird, hat die Erwartungen übertroffen und wurde von den europäischen Märkten gut aufgenommen. Dies spiegelt sich in einem Anstieg des Eurostoxx um 10,1 Prozent seit Jahresbeginn wider. Der STOXX Europe 600 Index hat ebenfalls profitiert, wenn auch in geringerem Masse, mit einem Anstieg von 7,8 Prozent. Die Aussicht auf Frieden in der Ukraine, obwohl die Bedingungen noch nicht definiert sind, könnte diesen Trend weiter unterstützen.

Höhere Bund-Renditen

Die europäischen Anleihemärkte haben stark auf diesen Paradigmenwechsel reagiert, insbesondere mit einem signifikanten Anstieg der Bund-Renditen. Inzwischen hat die EZB ihre Leitzinsen weiter normalisiert, was zu einer steileren Zinskurve führte.

Darüber hinaus haben Chinas ehrgeizige wirtschaftliche Ziele, unterstützt durch grössere fiskalische Pakete und einem Wachstumsziel von 5 Prozent für das Jahr, als weiterer unterstützender Faktor für Europa gewirkt, das indirekt von diesen Entwicklungen profitieren dürfte. Die jüngste Stabilisierung der Immobilienmarktpreise verleihe einem Krisenerholungsszenario Glaubwürdigkeit und treibt einen Aufschwung der chinesischen Märkte an.

Gleichzeitig haben sich die US-Indizes ins Minus gedreht, wobei der S&P 500 seit Jahresbeginn in Dollar um 4,3 Prozent und in Euro um 8,6 Prozent gefallen ist, da der US-Dollar und alle «Trump-Trades» einen Schlag erlitten. Die Anleger sind nicht mehr nur besorgt über die Bewertungen des Technologiesektors, die durch den steigenden Wettbewerb Chinas im Bereich der künstlichen Intelligenz herausgefordert werden.

Das erklärt, wieso der Nasdaq stärker gelitten hat als der S&P, mit einem Rückgang von 13,5 Prozent in Euro. Aktuell fragt man sich, ob der neue US-Präsident das Wirtschaftswachstum einfach zum Erliegen bringen wird. Seine mangelnde Klarheit bei der Entscheidungsfindung hat Unsicherheit geschaffen und das Vertrauen der US-Verbraucher beeinträchtigt. Der Marktrückgang belastet auch den Wohlstandseffekt, und Bedenken hinsichtlich der inflationären Natur von Importzöllen beginnen sich zu zeigen.

Banken profitieren

Auf sektoraler Ebene sind diese Entwicklungen laut den Experten den europäischen Industriesektoren, insbesondere Bauwesen, Chemie und dem Rohstoffsektor, zugutegekommen. Der Bankensektor profitierte ebenfalls von seiner inländischen Exposition, der steileren Zinskurve und den erwarteten positiven makroökonomischen Auswirkungen der Konjunkturprogramme. Diese Dynamik hat bereits einige Ökonomen dazu veranlasst, ihre Wachstumsprognosen für die Eurozone ab 2026 erheblich nach oben zu korrigieren.

Umgekehrt sind Sektoren, die dem US-Verbraucher ausgesetzt sind, unter Druck geraten, insbesondere Konsumgüter. Die Anleger sind besorgt über die Gesundheit der grössten Volkswirtschaft der Welt und über frühe Anzeichen eines rückläufigen Verbrauchervertrauens.

Aus all diesen Gründen wird der Konsens, der zu Jahresbeginn noch zugunsten von US- Aktien votierte, ernsthaft in Frage gestellt. Die Stärke des US-Wirtschaftswachstums ist fraglich, während gleichzeitig der europäische Gemeinschaftsentscheidung um einen grossen Aufrüstungsplan und Deutschlands Infrastrukturstimulus die europäischen Indizes nach oben treibt. Die Bewertungslücke wird kleiner, da Europa einen Teil seiner früheren Unterperformance wieder aufholt.

Wie weiter?

Zwei wichtige Fragen stellten sich nun: Haben wir eine neue Ära der nachhaltigen europäischen Überperformance betreten? Können die europäischen Märkte bestehen, wenn ein Abschwung in den USA beginnt?

Der Bewertungsabschlag Europas spiegelt laut Rothschild&Co. immer noch die strukturellen Defizite der Region wider. Zyklische Faktoren wie die übermässige deutsche Sparsamkeit und eine erhebliche Entschuldung des Privatsektors, die Investitionen und Produktivität eingeschränkt haben, beginnen jedoch zu verblassen. Politische Veränderungen in Deutschland, grössere europäische Energieunabhängigkeit und gross angelegte Investitionspläne werden langfristige Rückenwinde schaffen. Während die neue Trump- Regierung unmittelbare Risiken für Europa darstelle, zwinge sie den Kontinent auch zu einer schnellen, einheitlichen Reaktion.

Von erheblichen Kapitalzuflüssen profitieren

Die Anleger erkennen diese neue Realität an und beginnen, in europäische Märkte umzuschichten. Die Eurozone, die zuvor untergewichtet war, sollte von erheblichen Kapitalzuflüssen profitieren, die die Indizes unterstützen könnten. Trotz des jüngsten Aufschwungs bleiben die Mittelzuflüsse bisher jedoch vorerst bescheiden. Die 10 Milliarden Euro Zuflüsse in europäische Aktien seit Anfang 2025 repräsentieren nur 3 Prozent der Abflüsse seit Anfang 20224. Wenn die Portfolio-Gewichtungen Europas bedeutend neu rebalanciert werden, sollten die positiven Dynamiken weitergehen.

Darüber hinaus haben die jüngsten Marktbewegungen zu einer Verringerung des Bewertungsabschlags zwischen europäischen und US-Aktien geführt, von 43 Prozent Ende 2024 auf noch 33 Prozent Anfang März. «Die Lücke bleibt erheblich, und während die Performance- Aufholjagd zwischen den USA und Europa bereits im Gange ist, erscheinen die Wachstumsaussichten der europäischen KGVs nun vielversprechender. Dies sollte zu weiteren Gewinnen aus Steigerungen europäischer Bewertungen führen, die aktuell nahe ihrem historischen Durchschnitt von 14,2x liegen und verglichen mit 21,3x in den USA günstig erscheinen», so das Fazit.

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