Multi-Asset Investing wird zum Ansatz der Wahl

02.10.2025 08:33

Konjunkturdaten und Aktienmärkte scheinen sich zu widersprechen. Daher geht aus der Sicht von Shannon L. Saccocia, CIO Wealth bei Neuberger Berman nichts über einen Assetklassenübergreifenden Ansatz.

Shannon L. Saccocia, CIO Wealth bei Neuberger Berman
Shannon L. Saccocia, CIO Wealth bei Neuberger Berman

In den letzten Wochen stiegen amerikanische und internationale Aktien von Rekord zu Rekord. Die Credit Spreads waren eng wie nie, und der VIX-Volatilitätsindex fiel fast auf sein Jahrestief.

Nach dem Kurseinbruch Anfang April hätte kaum jemand für möglich gehalten, dass risikobehaftete Wertpapiere in nur sechs Monaten derart zulegen würden. Und wer schon damals die zurzeit nicht immer guten Wirtschaftszahlen, die Irritation durch Haushalts- und Zollpolitik sowie die aktuellen weltpolitischen Risiken gekannt hätte, hätte es nahezu ausgeschlossen.

Der Gegensatz zwischen dem nicht immer einfachen Umfeld und den enormen Kursgewinnen risikobehafteter Titel scheint paradox. Und doch spricht für Shannon L. Saccocia, CIO Wealth bei Neuberger Berman zu Beginn des 4. Quartals nur wenig dafür, dass sich das bald ändert.

Gründe zur Vorsicht

Die meisten amerikanischen Arbeitsmarkt- und Inflationsdaten haben sich in den letzten Wochen verschlechtert – so stark, dass die Fed jetzt die Zinsen wieder senkt und am Terminmarkt 120 Basispunkte Zinssenkungen in den nächsten zwölf Monaten erwartet werden. Letzte Woche wurde bekannt, dass die PCE-Kerninflation im Juli 2,9% z.Vj. betragen hatte – noch immer deutlich über dem 2%-Ziel der Fed. Diese Woche wurden dann Beschäftigung und Arbeitslosenquote veröffentlicht. Auch diese Zahlen machen Sorgen.

"Ausserdem wird die Unabhängigkeit der Fed infrage gestellt, und noch kennen wir die langfristigen Folgen der Zölle und der wenig nachhaltigen Haushaltspolitik nur ansatzweise, schreibt Saccocia.

Auch in anderen grossen Volkswirtschaften ist nicht alles perfekt, vor allem in Frankreich, Grossbritannien und Japan. Auch hier sind die Langfristrenditen wegen der Haushaltssorgen volatil, und auch hier ist das Wirtschaftswachstum eher mässig.

Hinzu kommen beispiellose weltpolitische Risiken. Diesen Monat hat Russland einmal den polnischen, den estnischen und den rumänischen Luftraum verletzt – und Israel hat die Hamas-Führung in Katar angegriffen.

All das hat den Märkten nicht nachhaltig geschadet. Weder ist der Ölpreis kräftig gestiegen, noch sind die Aktienkurse drastisch eingebrochen. Aber das Risiko einer Eskalation bleibt hoch.

Dass diese Sorgen nicht abstrakt sind, zeigt der Goldpreis: Gerade erst stieg er real auf ein neues Allzeithoch. Inflationsbereinigt notiert der sichere Hafen Gold sogar noch über seinem Höchststand aus dem Jahr 1980.

Optimismus trotz Pessimismus

Trotz dieser eher schwierigen Rahmenbedingungen legten risikobehaftete Wertpapiere zu.

Shannon Saccocia hat dafür mehrere Erklärungen: Da ist zunächst die nach wie vor beeindruckend stabile US-Wirtschaft. Die Schwächezeichen am Arbeitsmarkt und die höheren Inflationsrisiken seien unübersehbar, reichen aber bislang noch nicht für einen drastischen Kurseinbruch. Das Wachstum hat zwar nachgelassen, aber die Märkte haben Erklärungen dafür gefunden. Am Ende schienen sich die Anleger sicher, dass die US-Wirtschaft stabil bleibt und sich bald wieder erholen dürfte – auch dank einer lockereren Geldpolitik.

Dieser Optimismus scheint die beginnenden Zweifel an der Unabhängigkeit der Fed und die fiskalpolitischen Herausforderungen in den USA zu überlagern.

Hinzu kommt, dass die grossen Notenbanken einem ernsthaften Abschwung jetzt mehr entgegenzusetzen haben. Zinssenkungen dürften ihnen heute so leichtfallen wie seit über zehn Jahren nicht mehr, was die Märkte sicherlich beruhigt. Schliesslich sind die Leitzinsen noch immer eher hoch. Da die Inflation allgemein nachlässt und wieder unter Kontrolle ist, ist eine stärkere Lockerung bei Bedarf leichter möglich.

Technologieunternehmen, der Magnificent 7, sowie vieler anderer Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Ländern haben ebenfalls positiv überrascht. Zu Jahresbeginn hatten manche Beobachter mit schwächeren Gewinnen der amerikanischen Technologieunternehmen gerechnet. Aber das blieb aus, und dann wurde die wachsende Marktbreite zum Thema. Aktien profitierten davon, in den USA und weltweit.

Günstig für amerikanische Aktien waren sicher auch die lockere Geldpolitik und der schwache US-Dollar. Auch Anleihen profitierten davon, amerikanische wie nicht amerikanische.

Und dann ist da noch die recht gute Kreditqualität von Unternehmensanleihenemittenten, ob mit Investmentgrade-Status oder ohne. Daran ändern auch die vor allem in den USA recht hohen Zinsen und die anhaltende wirtschaftliche und politische Unsicherheit nichts. Die Spreads sind heute eng wie selten – wegen der guten Kreditqualität, aber auch wegen der hohen Nachfrage von Anlegern, die die attraktiven Gesamtrenditen von Investmentgrade- und High-Yield-Unternehmensanleihen zu schätzen wissen. Hinzu kommen die weltweit noch immer recht niedrigen Ausfallquoten.

Die weltpolitischen Risiken schliesslich bleiben hoch und könnten kurzfristig durchaus weiter zunehmen, aber die Märkte scheinen sich davon nicht mehr beeindrucken zu lassen – solange der Krieg nicht eskaliert oder eine andere humanitäre Katastrophe grosse Auswirkungen auf Konjunkturdaten und Assetpreise hat, vor allem auf Währungen und Öl.

Konsequenzen für Anleger

"Trotz konjunktureller Schwächen und Risiken bleiben wir für Wirtschaft und Märkte mittelfristig optimistisch – wie schon das ganze Jahr über", schreibt Saccocia. Vor allem bei Aktien sei dieser Optimismus in den Kursen schon berücksichtigt. "Wir halten ihn dennoch nicht für eine irrationale Übertreibung. Auch die Assetklassengewichtungen scheinen uns durchweg passend, nicht zuletzt wegen der noch immer attraktiven Anleihenrenditen."

Allerdings sei die Diversifikation nach Assetklassen heute wichtiger denn je – mit börsennotierten und nicht börsennotierten Titeln, die attraktive risikoadjustierte Erträge mit einem ausreichenden Schutz vor Verlusten in Aussicht stellen.

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