«Zement ist ein unverzichtbarer Werkstoff für unsere moderne Wirtschaft. Mit seinen niedrigen Kosten und langlebigen Eigenschaften können wir uns nur schwer ein Szenario vorstellen, in dem er in grossem Massstab ersetzt werden kann», schreibt Eric Pedersen, Head of Responsible Investments bei Nordea Asset Management.
Aus fundamentaler Sicht hat die Zementindustrie laut Pedersen in den letzten zehn Jahren einen bedeutenden Wandel erlebt. Nach Jahren der Fokussierung auf Volumenwachstum und Ausweitung der Marktpräsenz veränderte die globale Finanzkrise von 2008 das Umfeld für die Branche dauerhaft, da es nie zu einer vollständigen Erholung der Nachfrage kam.
Angesichts schlechter Renditen begann sich die Zementindustrie Mitte der 2010er Jahre zu konsolidieren. Dies markierte den Beginn der Marktdisziplin, die sich in einer konstanten Preissetzungsmacht und einer Value-over-Volume-Strategie der führenden Zementunternehmen widerspiegelte.
Diese Preissetzungsmacht war zum Teil auf den lokalen Charakter der Zementproduktion zurückzuführen. Zement eignet sich von Natur aus für eine oligopolistische Struktur, und diese «Lokalität» ist ein Merkmal, das Zement von anderen zyklischen Rohstoffen unterscheidet. Während die Zementindustrie nicht immun gegen die grossen Schocks der letzten Jahre war – nämlich Covid-19 und der Einbruch der Bautätigkeit, die Energiekrise nach der russischen Invasion in der Ukraine und der anschliessende Anstieg der Zinssätze –, blieb der disziplinierte Value-over-Volume-Ansatz der Branche bestehen, wobei eine robuste Preisgestaltung diesen Druck ausgleichen konnte.
Das nächste Jahrzehnt wird laut dem Experten eine weitere Evolutionsphase für die Branche sein. Die Zementunternehmen werden sich mit den Auswirkungen der Kohlenstoffkosten und den Herausforderungen der Dekarbonisierung auseinandersetzen müssen. Dies werde die Grundlage der Branche erneut verändern – und zu strukturell niedrigeren Volumina, steileren Kostenkurven, noch stärker lokalisierten Märkten und einer weiteren Rationalisierung der Kapazitäten führen.
Die Zementproduktion ist für etwa 8 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, und die Herstellung von Portlandzement – der gebräuchlichsten Zementsorte – beginnt mit dem Mahlen von Rohstoffen wie Kalkstein und Ton zu einem feinen Pulver, dem sogenannten Rohmehl. Anschliessend wird das Rohmehl in einem Zementofen auf eine Temperatur von bis zu 1 450 Grad erhitzt.
In der Regel wird in Zementwerken Kohle, Petrolkoks (ein aus Erdöl gewonnener Feststoff, der ähnlich wie der aus Kohle hergestellte Koks hauptsächlich aus Kohlenstoff besteht) oder Erdgas verwendet, um den Ofen zu heizen. Allein der Heizprozess macht rund 40 Prozent der Emissionen im gesamten Produktionsprozess aus.
Die restlichen 60 Prozent stammen aus dem chemischen Prozess: Sobald der aus dem erhitzten Kalkstein freigesetzte Kohlenstoff den Ofen passiert, wird er zu einem Material namens Klinker – dem Hauptbestandteil von Zement. Dies ist die energieintensivste Stufe in der Zementherstellung.
Um ein Zementwerk zu dekarbonisieren, können drei wesentliche Hebel angesetzt werden. Erstens, der Einsatz alternativer Substanzen, um den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen bei der Herstellung von Zementklinker zu reduzieren. Als Nächstes sollten alternative Energiequellen genutzt werden, um die CO2-Emissionen aus der Kraftstoffverbrennung zu reduzieren. Schliesslich sollten CCUS-Technologien (Carbon Capture, Use, and Storage) eingesetzt werden, um unvermeidbare direkte Emissionen aus der Kalzinierung von Kalkstein zu Zementklinker abzuscheiden. Dazu wird das CO2 bei Industrieprozessen abgeschieden, abtransportiert und auf Dauer dort gespeichert, wo es herkommt: in der Erde, in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten.
Die Reduzierung der Zementemissionen ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch eine zunehmend überzeugende finanzielle Chance – insbesondere in Europa. «Wir erwarten First-Mover-Vorteile für Zementunternehmen, die am schnellsten dekarbonisieren können», schreibt Pedersen.
In Bezug auf Aktien würden die Fundamentaldaten der Branche vom Markt unterschätzt und spiegelten sich in den heutigen Bewertungen nicht angemessen wider. Besonders die Aktien der europäischen Zementindustrie haben in den letzten fünf Jahren stark an Wert verloren – grösstenteils aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Dekarbonisierungspfads einer Branche, in der sich die CO2-Emissionen nur schwer senken lassen. In der Zementindustrie gebe es jedoch weiterhin überzeugende Anlagemöglichkeiten in Unternehmen, die derzeit bei der Dekarbonisierung führend sind, sowie jenen, die das Potenzial haben, bei Netto-Null-Strategien «mehr Ehrgeiz und Glaubwürdigkeit zu zeigen».
Ein solches Beispiel ist die italienische Gruppe Buzzi. Nordea arbeitet mit dem Unternehmen zusammen, da ein grosses Potenzial für eine bedeutende Kohlenstoffreduzierung durch einen reduzierten Klinkeranteil, einen höheren Einsatz alternativer Kraftstoffe und verstärkte Investitionen in die CCUS-Technologie besteht. Wenn Buzzi in CCUS investieren und bis 2040 eine Emissionsreduzierung von 70 Prozent erreichen kann, könnte das Unternehmen in der Lage sein, eine grüne Prämie zu erheben und die Kohlenstoffkosten teilweise weiterzugeben.
Im Juni hat Nordea eine Position bei Heidelberg Materials eröffnet, einem integrierten Hersteller von Baustoffen mit einer marktführenden Position bei Zement, Zuschlagstoffen und Transportbeton. Das Unternehmen hat einen bedeutenden CO2-Fussabdruck in Europa und ist daher immer strengeren Umweltvorschriften ausgesetzt, einschliesslich erhöhter Kohlenstoffkosten.
Heidelberg Materials ist führend bei der Einführung von CCUS-Projekten und verfügt über einen robusten kurzfristigen Dekarbonisierungsplan, der eine Intensität der Zementemissionen von unter 400 Kilo netto CO2 pro Tonne produzierter Zementstoffe bis 2030 anstrebt. Zudem soll bis 2030 50 Prozent des Umsatzes mit der nachhaltigen Produktpalette erzielt werden.
«Obwohl die Zementindustrie ein Ausreisser bei den negativen Emissionen ist, glauben wir, dass die Akteure, die dekarbonisieren, neben ihrem soliden Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels sowohl wirtschaftlich von einer signifikanten CO2-Reduktion profitieren als auch langfristig profitabel sein können», so das Fazit.