Auch nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump sind Fragen zur Entwicklung von Wirtschaft, Aktien und Anleihen offen. Die Bank Schroders legt sich fest und meint: «Die Markterwartungen für die US-Wirtschaft sind zu pessimistisch.»
Zu Beginn des vergangenen Jahres hatten viele Beobachter eine Rezession in den Vereinigten Staaten erwartet. Ein Hard landing ist jedoch nicht eingetreten. Was bringt das neue Jahr? Mit Blick darauf hält Schroders Senior US Economist, George Brown, fest: «Wir halten die Markterwartungen für die US-Wirtschaft weiterhin für zu pessimistisch.» Was führt die Bank zu diesem Urteil?
Der private Konsum sei in guter Verfassung, antwortet Brown. Da sich am Arbeitsmarkt eher eine Abkühlung als ein Zusammenbruch abzeichne, dürften die Ausgaben der privaten Haushalte weiterhin das Wachstum antreiben. «Die Zahlen für das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das dritte Quartal 2024 wurden nach oben korrigiert, und das vierte Quartal scheint in Bezug auf das Wachstum recht solide gewesen zu sein», sagt er.
Das Schroders Economics Team prognostiziert für 2025 ein Wachstum des US-BIP von 2,5 Prozent, welches sich bis 2026 auf 2,7 Prozent beschleunigen sollte. Damit werde die Inflation höher bleiben als bisher angenommen. Die US-Notenbank werde die Zinsen 2025 erst einmal senken, bevor sie diese 2026 anheben werde.
Diese Prognosen beruhen auf Schroders Annahmen über Trumps politische Agenda. Knappe Mehrheiten im Kongress dürften seine extremere Neigungen einschränken, aber immer noch ausreichen, um seine auslaufenden Steuersenkungen zu verlängern und seine Deregulierungsbemühungen zu unterstützen, erklärt Brown.
Obwohl man davon ausgehe, dass er protektionistische Massnahmen ergreifen werde, sei die Bank skeptisch, dass diese einen universellen Mindestzoll beinhalten würden. Ebenso vermute Schroders, dass seine Bemühungen, illegale Immigranten auszuweisen, nicht die versprochene Größenordnung von 20 Millionen erreichen werde.
Sollte Trump jedoch seine angekündigte Agenda in vollem Umfang umsetzen, könnten die Auswirkungen auf die US-Wirtschaft ganz anders aussehen. Das Schroders Economics Team hat auch ein aggressiveres Szenario simuliert, das 60% Zölle auf alle chinesischen Waren und Zölle auf Waren aus dem Rest der Welt sowie strenge Einwanderungsbeschränkungen und Abschiebungen vorsieht.
Brown meint hierzu: «In einem solchen Szenario würden ein schwächerer Handel, eine Investitionsflaute und eine allgemeine Vertrauenskrise die meisten Volkswirtschaften in der ganzen Welt wahrscheinlich in die Rezession stürzen und zu erheblichen Zinssenkungen führen.»
Für die USA hätte diese Gemengelage hingegen eher stagflationäre Auswirkungen. Mit anderen Worten: Während sich die Wachstumsaussichten der USA auch unter einem aggressiven Trump-Szenario verschlechtern, würde ein langsameres Wachstum eher mit mehr als mit weniger Inflation einhergehen.
Ein aggressiver Trump könnte versuchen, umfangreiche fiskalische Anreize zu setzen, aber eine stärkere Nachfrage würde schnell auf eine sich verschlechternde Angebotsseite der Wirtschaft treffen. Das BIP-Wachstum würde wahrscheinlich zunächst aufgrund massiver Störungen einbrechen, bevor es bis 2026 durch Konjunkturmassnahmen wieder einen gewissen Schub erhalten würde.
Für Anlegerinnen und Anleger besteht die zentrale Herausforderung darin, einzuschätzen, wie wahrscheinlich es sei, dass eine bestimmte politische Massnahme umgesetzt werde. Diese Herausforderung bleibe so lange bestehen, bis Klarheit über die politische Richtung herrscht.
David Rees, Senior Emerging Markets Economist von Schroders, ergänzt dazu: «Die Finanzmärkte könnten jede dieser Massnahmen im Laufe des Jahres 2025 einpreisen, selbst wenn sie nie zum Tragen kommen, was zu einer erhöhten Volatilität in allen Anlageklassen führen würde.»
Auch der Dollar dürfte noch einige Schwankungen erleben, bevor die neue Regierung ihre Handelspolitik bestätigt. Als Beispiel dafür nennt die Bank die Abwärtsbewegung in den ersten Januartagen. Diese sei auf (später dementierte) Berichte zurückzuführen, wonach die Handelszölle geringer sein würden als befürchtet.
David Rees sagt: «Jede Einführung von Zöllen würde den Dollar tendenziell stützen, weil sie die Auswirkungen eben dieser auf Handel und Wirtschaft ausgleichen würde. Wir gehen auch davon aus, dass die Zinsdifferenzen den Dollar wieder stützen werden, so dass der Dollar wahrscheinlich noch eine Weile stark bleiben wird.»
Die Anleihemärkte haben sich in letzter Zeit stark bewegt. Die Preise haben die Wahrscheinlichkeit von Trumps politischer Strategie und ihre potenzielle Auswirkungen auf Inflation und Zinssätze eingepreist
James Bilson, Fixed Income Stratege von Schroders, erläutert: Die Anleihemärkte hätten auf eine Kombination aus starkem Wachstum, stabileren jüngsten Inflationsdaten und der Erwartung einer weiteren Reflationspolitik unter der neuen Regierung nach oben korrigiert. «Anleihen preisen jetzt zwischen einem und zwei Zinssenkungen der Federal Reserve um 25 Basispunkte für 2025 ein, nachdem sie noch im September mehr als vier eingepreist hatten.»
Mit Blick auf die Aktienmärkte ist die US-Dominanz offensichtlich: Ende 2024 machte der MSCI USA Index 74 Prozent des MSCI World Index und 67 Prozent des MSCI All-Country World Index aus (Quelle: LSEG DataStream, MSCI und Schroders). Das ist Rekord.
Hinzu kommt, dass die Bewertungen von US-Aktien – abgesehen vom Höhepunkt der Dotcom-Blase – so hoch sind wie seit 143 Jahren nicht mehr. Unabhängig von der politischen Ausrichtung der neuen Administration sei es fraglich, ob diese Bewertungen aufrechterhalten werden könnten, bemerkt Duncan Lamont, Head of Strategic Research.
Teure US-Aktien seien indessen kein neues Phänomen, ebenso wenig wie das relativ hohe Gewicht der USA an den globalen Märkten. US-Werte punkteten mit vielen Vorteilen, darunter die im Vergleich zum Rest der Welt steigende Produktivität, die bessere wirtschaftliche Dynamik und das Investitionsverhalten der Unternehmen.
Günstigere demografische Prognosen seien ein weiterer Trumpf, obwohl eine weniger einladende Haltung gegenüber der Einwanderung diesen zunichtemachen könnte.
Wer sich über die hohe Bewertung von US-Titeln sorgt, könne sich auf der Skala der Marktkapitalisierung nach unten orientieren. Unternehmen mit geringer und mittlerer Marktkapitalisierung seien günstiger bewertet als solche mit einem hohen Marktwert.
Da bringt sich Bob Kaynor, Head of US Small & Midcap Equities, ins Spiel: «Die USA profitieren von einem starken Arbeitsmarkt und einer politischen Strategie der nächsten Trump-Administration, bei der es absehbar ist, dass sie das Binnenwachstum unterstützt», wendet er ein.
Small- und Midcap-Unternehmen hätten einen Kundenstamm, der grossmehrheitlich entweder ausschliesslich oder überwiegend in den USA ansässig sei. Deshalt würden Small- und Mid-Cap-Aktien ein direkteres und erst noch günstigeres Engagement in die US-Wirtschaft bieten.