«In den letzten Wochen waren die Anleihemärkte erheblichen Schwankungen ausgesetzt, was vor allem auf eine Flut von Ankündigungen aus dem Weissen Haus zurückzuführen war», schreibt Nicolas Jullien, Global Head of Fixed Income bei Candriam. Die Volatilität dürfte vorerst bleiben.
Die von Präsident Donald Trump verhängten neuen Zölle sorgten für Unsicherheit an den Märkten – darunter auch 25 Prozent auf Importe aus Kanada und Mexiko, die am 4. März in Kraft traten, sowie eine zusätzliche Abgabe von 10 Prozent auf chinesische Importe. In Europa hielten die politischen Ereignisse die Märkte in Atem.
Die mit Spannung erwarteten Wahlen in Deutschland endeten mit einem Sieg der Konservativen (CDU) und die Koalitionsregierung beschloss sehr bedeutende fiskalische Mittel in Höhe von über 900 Milliarden Euro. «Dieses für das Wachstum des Euro positive Ereignis wird durch die mögliche Ankündigung von Trumps Zöllen gegen die EU konterkariert, die sich negativ auf das Wachstum auswirken dürften», heisst es bei Candriam.
Die Zentralbanken lieferten im Laufe des Monats keine Überraschungen. Die Punktdiagramme der Federal Reserve (Fed) deuten auf zwei Zinssenkungen in diesem Jahr hin. Die Fed verweist auf die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und die stabile Inflation, äussert sich aber besorgt über die Auswirkungen der Zölle. Andernorts beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), die drei Leitzinsen der EZB um 25 Basispunkte zu senken, was die sechste Zinssenkung seit Juni 2024 darstellt.
Im Vorfeld der Bundestagswahl und angesichts zunehmender Diskussionen über die Notwendigkeit höherer Verteidigungsausgaben als Reaktion auf den abrupten Rückzug der USA ging Candriam von einer übergewichteten Duration in Euro zu einer taktisch neutralen Position über. Dies zahlte sich aus, obwohl das Ausmass der jüngsten deutschen Ankündigung überraschend war.
Die Zinskurven in Europa wurden aufgrund des erhöhten Bedarfs an Verteidigungsausgaben und der damit verbundenen Emission von Staatsanleihen steiler. Das von Deutschland zugesagte Konjunkturpaket in Höhe von 900 Milliarden Euro ist sehr umfangreich und hat sich bereits auf die Zinsmärkte ausgewirkt. Die Kurve ist in den letzten Tagen deutlich steiler geworden – am langen Ende der Kurve mit über 50 Basispunkten deutlich stärker als am kurzen Ende.
Dementsprechend verzeichnete die deutsche Zinskurve bei 10-jährigen Laufzeiten den stärksten Anstieg, so dass sich am langen Ende der Kurve mit Renditen von knapp 3 Prozent «eine Chance auftat». Tatsächlich verzeichnete die 10-jährige deutsche Staatsanleihe nach der Ankündigung den grössten Zinsanstieg an einem Tag seit der Wiedervereinigung.
Die Märkte warten eindeutig auf Trumps Zölle gegen Europa und Candriam geht davon aus, dass sie sofort Wirkung zeigen und das Wachstum, das sich in der Eurozone bereits verlangsamt, negativ beeinflussen werden. Auf der anderen Seite wird die deutsche Regierung Anleihen ausgeben müssen, um die umfangreichen fiskalischen Konjunkturmassnahmen zu finanzieren.
Dies dürfte die 10-Jahres-Zinsen in die Höhe treiben. Jullien geht jedoch davon aus, dass die Anleiheemissionen nicht sofort erfolgen, sondern über die Jahre 2026 bis 2028 verteilt werden. Daher sei es unwahrscheinlich, dass dieser Aufwärtsdruck so schnell entstehe, und der Markt könnte dieses Risiko überbewertet haben.
Vor diesem Hintergrund dürfte das lange Ende der deutschen Zinskurve eine gute Quelle für Carry von knapp 3 Prozent und eine gewisse potenzielle Renditekompression bieten. «In der zweiten Märzwoche haben wir die deutsche Bundesanleihe taktisch wieder übergewichtet, um von dem höheren Renditeübertrag in Höhe von fast 0,5 Prozent zu profitieren, der inzwischen eingetreten ist. Wir bleiben bei unserer Short-Position im Bereich der 30-jährigen Bundesanleihen. Wir rechnen zwar mit Trumps Zöllen, aber auch mit viel Volatilität und Diskussionen rund um das Ereignis, weshalb wir flexibel und taktisch vorgehen wollen», erläutert der Global Head of Fixed Income.
Auf Länderebene hält Candriam an der positiven Einschätzung Spaniens fest, des einzigen grossen Emittenten der Eurozone mit einem gesunden Wachstum. Währenddessen beurteile man Frankreich angesichts der fiskalischen Dynamik und der politischen Unsicherheiten weiterhin zurückhaltend. In Osteuropa hat Candriam einige Gewinne mitgenommen und das Engagement in Ländern wie Slowenien, der Slowakei und Rumänien nach deren starken Kursanstiegen reduziert.
Die Obligationenmärkte wurden weiterhin durch eine starke Investitionsnachfrage gestützt und die Primärmarktaktivitäten waren stark gezeichnet, wobei die meisten Transaktionen mit geringen bis gar keinen Spreadaufschlägen auf den Markt kamen. Insbesondere US-Blue-Chip-Unternehmen wie zum Beispiel T-Mobile, IBM und einige grosse Wall-Street-Banken nahmen Euro-Schulden auf. Angelockt wurden sie durch die niedrigeren Kreditkosten, welche eine natürliche Absicherung für Unternehmen darstellen, die nicht in Dollar refinanzieren müssen und gleichzeitig von einer Diversifizierung ihrer Investorenbasis profitieren.
Die Ergebnisse der Berichtssaison für das vierte Quartal 2024 in Europa und – in geringerem Masse – in den USA fielen je nach Sektor unterschiedlich aus, was die Bedeutung einer selektiven Emittentenauswahl in einem Markt mit komprimierten Spreads unterstreiche. In den letzten Tagen war die Gesamtperformance europäischer Anleihen relativ kontrolliert – obwohl negativ. Euro-Investment-Grade hat seit dem 28. Februar 1,5 Prozent verloren, was hauptsächlich auf den starken Anstieg der Renditen bei gleichbleibenden Spreads zurückzuführen ist. Euro-High-Yield verlor rund 1,0 Prozent, da sich die Spreads ebenfalls ausweiteten, die Gesamtrendite jedoch aufgrund des höheren Renditeübertrags weniger litt.
Die von Trump angedrohten Zölle und die bereits schwache makroökonomische Lage dürften gemäss Jullien die Fundamentaldaten der Kreditmärkte belasten und die Spreads kurzfristig erhöhen. Die fiskalische Unterstützung Deutschlands dürfte eher ab 2026 greifen und daher die Spreads bis 2025 kaum belasten. Was die Bewertungen betrifft, so haben sich die Renditen von Investment-Grade – und in geringerem Masse auch von High-Yield – verbessert. Dies sei eine gute Carry-Gelegenheit für Anleger. Allerdings sind die Spreads so eng wie seit Jahrzehnten nicht mehr und daher sehr anfällig für einen Zinsanstieg.
Die technischen Fundamentaldaten von Investment-Grade dürften kurzfristig gut bleiben, da Anleger weiterhin in diese qualitativ hochwertige Anlageklasse investieren, um sich Renditeüberträge zu sichern. Trotz des hohen Volumens scheinen die Emissionen gut absorbiert worden zu sein und die Nachfrage dürfte anhalten. Bei Hochzinsanleihen sei jedoch nicht nur mit Mittelabflüssen zu rechnen, sondern es sei auch möglich, dass die Emissionstätigkeit wieder zunehme und sich die technischen Daten weiter verschlechtern.
«Vor diesem Hintergrund halten wir Euro-Investment-Grade weiterhin für eine starke Anlageklasse, die von Renditeüberträgen und Qualität profitiert. Für die nahe Zukunft sehen wir jedoch die negativen Auswirkungen der Trump-Zölle und bleiben daher taktisch neutral, da wir auf günstige Einstiegszeitpunkte warten. Bei Hochzinsanleihen haben wir eine negative Haltung eingenommen, da sowohl die Spreads als auch die Renditen das Potenzial haben, sich von den derzeit restriktiven Niveaus auszuweiten.
Wir gehen in jedem Fall selektiv vor und konzentrieren uns auf Bottom-up-Research, um die besten Gelegenheiten zu finden, die sich an den Märkten bieten. Wir beabsichtigen, den Bau- und Werkstoffsektor genau zu beobachten, während wir gleichzeitig ein wachsames Auge auf deutsche Kredite haben, die von der aktuellen Situation profitieren könnten», erläutert der Experte die aktuelle Positionierung.
US-Anleihen seien über weite Teile des Qualitätsspektrums zweifellos teuer. Trotzdem fühle sich Candriam mit einem neutralen Engagement in Investment-Grade-Anleihen wohl. Der Grund dafür seien die hohen Gesamtrenditen und der Puffer gegen mögliche Spreadausweitungen, den dieser hohe Renditeübertrag biete.
«Die Bewertungen von Hochzinsanleihen sind wahrscheinlich noch grosszügiger, auch wenn sie sich etwas ausgeweitet haben. Die Fundamentaldaten sind nach wie vor gut, tendieren aber schwächer. Die hohen Renditen und die kurze Duration bieten jedoch ein hohes Mass an Schutz. Vor diesem Hintergrund bleiben wir hier untergewichtet», so das Fazit.