«Während sich die Zentralbanken aus dem Markt für US-Staatsanleihen zurückziehen, übernehmen zunehmend Marktteilnehmer, die stark auf Preis und Wert achten», schreibt Garret Melson, Portfolio-Strategist bei Natixis Investment Managers Solutions. Die Nachfrage nach US-Treasuries sei aber «lebendig – und robust».
Wenn über die Eigentümerschaft von US-Staatsanleihen gesprochen wird, liegt der Fokus laut Melson oft auf ausländischen Investoren – und der Sorge, dass diese ihre Bestände abbauen oder künftig weniger kaufen könnten. Solche Ängste hätten sich nach der Eskalation der Handelspolitik unter der Trump-Regierung verstärkt. Tatsächlich befinde sich der Anteil ausländischer Halter an der gesamten US-Staatsverschuldung jedoch seit der globalen Finanzkrise in einem langfristigen Rückgang.
Daten der US-Notenbank zeigten, dass der Anteil ausländischer Investoren an den ausstehenden Treasuries seit 2014 stetig gesunken ist – auch wenn sich dieser Rückgang in den letzten Jahren etwas stabilisiert hat.
Im Zentrum der aktuellen Marktentwicklung stehen gemäss Natixis jedoch eine andere Dynamik: «Immer stärker treten preissensitive Käufer in den Vordergrund – also Investoren, die ihre Käufe stärker an Bewertungen, Zinsniveaus und makroökonomischen Aussichten ausrichten. Ihr Anteil an der Gesamtbesitzstruktur und an den Nettokäufen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.»
Die Federal Reserve, die früher zu den grössten – und zugleich am wenigsten preissensiblen – Käufern zählte, erreichte Mitte 2022 mit einem Anteil von über 15 Prozent an den ausstehenden US-Staatsschulden ihren Höchststand. Seither habe sich dieser Anteil durch den laufenden Bilanzabbau der Fed verringert.
Wer hat die entstandene Lücke gefüllt? In erster Linie private Haushalte, Vermögensverwalter und Finanzinstitute. Während sich die Zentralbanken – bisher eine stetige, kaum preissensible Nachfragequelle – weltweit aus dem Markt zurückziehen, übernehmen laut Melson «zunehmend Marktteilnehmer, die stark auf Preis und Wert achten.» Die Folge: Der Rückzug dieser stabilen Käufergruppe habe eine neue Marktdynamik geschaffen. Die Preisfindung sei volatiler geworden, weil sie nun stärker von Investoren getrieben wird, die flexibler auf Veränderungen reagieren. Heute halten Haushalte, Asset Manager und Finanzinstitute zusammen fast 42 Prozent der ausstehenden US-Staatsanleihen.
Diese Entwicklung dürfte sich laut dem Experten fortsetzen, solange die Zentralbanken eine abwartende Haltung einnehmen und die Nachfrage von Endanlegern bestimmt werde. Oft werde daraus abgeleitet, dass Zinsen künftig steigen müssten – doch trotz steigender Emissionen war das in den letzten Jahren kaum der Fall. «Im Gegenteil: Viele dieser neuen Käufer sehen im aktuellen Umfeld attraktive Einstiegsniveaus.»
Steigende Renditen sorgten zudem für eine natürliche Gegenbewegung – sie machen Treasuries für Investoren wieder interessanter und begrenzen so den Spielraum für weitere Zinsanstiege. Rechnet man auch Pensionskassen und Versicherungen hinzu, halten diese Gruppen inzwischen fast die Hälfte aller ausstehenden US-Staatsanleihen. Seit Beginn des Fed-Rückzugs Mitte 2022 entfallen mehr als 82 Prozent der Nettokäufe auf sie.
Auch wenn die Volatilität damit zugenommen habe, bedeute das nicht zwingend mehr Unsicherheit. «Vielmehr sehen wir eine Rückkehr zu den Marktmechanismen, wie sie vor der Finanzkrise üblich waren: mit stärkerer Marktpreisbildung und höherem Einfluss privater Investoren», schreibt der Portfolio-Strategist.
Zwar bringe die geopolitische Lage – insbesondere handelspolitische Spannungen – zusätzliche Unsicherheiten mit sich. Doch die ausländische Nachfrage bleibe stabil, insbesondere von privaten Investoren, die gezielt nach Wert suchen. «Und diesen finden sie nach wie vor bei US-Treasuries – gerade in einem Umfeld, in dem Sicherheit und Liquidität gefragt sind.» Trotz Diskussionen über Veränderungen im globalen Handelssystem bleibe der US-Dollar fest verankert – als dominierende Währung für Abrechnung und Finanzierung. Eine Abkehr davon wäre ein langwieriger Prozess und setze eine glaubwürdige Alternative voraus.
Das spreche für eine anhaltende, prozyklische Nachfrage nach US-Dollar und US-Staatsanleihen – und damit für eine stabile Nachfrageseite. «Auch wenn es am Rand Verschiebungen geben kann, bleibt das Fundament stark: Es gibt nach wie vor eine breite Basis preisbewusster inländischer und ausländischer Käufer, die US-Staatsanleihen als attraktive Anlage sehen. Die Nachfrage nach US-Treasuries ist lebendig – und robust», so das Fazit.