«Mikrofinanz ist Private Debt mit direkter Verbindung zur Realwirtschaft»

12.11.2025 16:19

Dr. Johannes Feist, CEO von Mikro Kapital Management S.A., spricht im Interview über Renditequellen, Risikomanagement und die Rolle von Mikrofinanz in professionellen Portfolios.





Herr Feist, Mikrofinanz wird oft mit Entwicklungshilfe verbunden. Wie definieren Sie Mikrofinanz heute aus Sicht professioneller Investoren?

Johannes Feist: Mikrofinanz ist heute vor allem Unternehmensfinanzierung im kleineren Segment. Gemeint sind Kleinstunternehmen, kleine Unternehmen und mittlere Unternehmen in Schwellen- und Transformationsländern. Wir arbeiten hierfür mit eigenen Gesellschaften vor Ort, die Kredite und Leasingfinanzierungen an solche Betriebe vergeben. Für Investoren handelt es sich um eine Form von Private Debt mit direktem Bezug zur Realwirtschaft, nicht um eine Spende. Vor diesem Hintergrund hat sich in den vergangenen Jahren ein eigenständiger Markt entwickelt.

Das globale Mikrofinanzvolumen lag im Jahr 2024 bei rund 209 Milliarden US-Dollar, für 2025 werden etwa 310 Milliarden US-Dollar erwartet. Weltweit existieren rund 146 Millionen aktive Mikrokredite, rund 57 Prozent der Endkreditnehmenden sind Frauen. Für professionelle Anleger entsteht damit Zugang zu vielen kleineren Kreditengagements in unterschiedlichen Ländern und Sektoren.

Das Risiko verteilt sich auf eine grosse Zahl von Schuldnern, und die Rückflüsse haben sich historisch nur begrenzt im Gleichschritt mit klassischen Aktien- und Anleihemärkten bewegt. Für institutionelle Investoren bündeln wir diese Engagements in unserem Fonds ALTERNATIVE.

Wie ist der Fonds ALTERNATIVE strukturiert, und wo kann er im Portfolio eines institutionellen Anlegers andocken?

ALTERNATIVE ist ein in Luxemburg aufgelegter Fonds, über den wir ausschliesslich Anleihen für professionelle und institutionelle Investoren emittieren. Diese Anleihen werden im Rahmen eines Anleiheemissionsprogramms mit einem Gesamtvolumen von bis zu 2 Milliarden Euro aufgelegt. Innerhalb dieses Rahmens können fortlaufend Emissionen mit unterschiedlichen Laufzeiten und in verschiedenen Währungen erfolgen, die an der Luxemburger Börse gelistet sind.

Die eingesammelten Mittel fliessen in ein Netzwerk überwiegend mehrheitlich kontrollierter Portfoliounternehmen, die vor Ort Mikrokredite und Leasingfinanzierungen vergeben. Der Fonds verwaltet rund 487 Millionen Euro in zehn Ländern. Seit Auflage des Programms gab es keinen Zahlungsausfall auf Ebene der vom Fonds begebenen Anleihen. In der strategischen Asset Allokation ordnen Investoren ALTERNATIVE meist den Bereichen Private Debt, Alternative Anlagen, Emerging Markets, Impact Investing und dem spezialisierten Bereich Fixed Income zu.

Worin unterscheidet sich Ihr Ansatz von klassischen Mikrofinanzfonds, die über externe Institute investieren?

Viele Mikrofinanzfonds vergeben in erster Linie Kredite an externe Mikrofinanzinstitute. Die Anleger partizipieren dann vor allem an den Zinsmargen dieser Kredite. Wir gehen einen anderen Weg, indem wir in Portfoliounternehmen investieren, an denen mehrheitliche Beteiligungen bestehen, und diese gleichzeitig refinanzieren.

Damit fliessen sowohl Eigenkapitalerträge als auch Nettozinsmargen der operativen Gesellschaften in die Gesamtstruktur ein. Das wirkt sich auf die Coupons der Anleihen aus, die in den genannten Bandbreiten liegen. Im Gegenzug ist die Diversifikation auf Einzelebene fokussierter, weil mit einem klar abgegrenzten Kreis von Gesellschaften gearbeitet wird. Die damit verbundene Konzentration steuern wir über aktive Eigentümerschaft, klar definierte Governance-Strukturen und gruppenweite Funktionen für Risiko, Finanzen, Audit und Recht in Luxemburg. Die Steuerung erfolgt somit nicht nur auf Ebene der Struktur insgesamt, sondern auch auf Ebene der Portfoliounternehmen.

Wie würden Sie Risiko und Ertrag für einen professionellen Anleger charakterisieren?

Unsere Bonds sind festverzinsliche Wertpapiere mit klar definierten Laufzeiten und Coupons. Für neue Emissionen liegen die Zinssätze, abhängig von Währung und Laufzeit, im Bereich von rund 7,5 bis 11,5 Prozent pro Jahr in Euro, von 8,5 bis 12 Prozent pro Jahr in US-Dollar und von etwa 4 bis 8 Prozent pro Jahr in Schweizer Franken.

Auf der Risikoseite sind einige Elemente zentral. Wir verzichten auf Hebelung auf Fondsebene, verfügen über einen Eigenkapitalpuffer von derzeit rund 15,7 Prozent der Bilanzsumme und arbeiten mit vollständig besicherter Kreditvergabe in den Portfoliogesellschaften. Hinzu kommt ein aktives Management der Fremdwährungsrisiken. Im weltweiten Mikrofinanzmarkt liegt der Anteil der Kredite mit mehr als 30 Tagen Zahlungsverzug im Schnitt bei etwa 4,5 Prozent. Die von uns finanzierten Institute bewegen sich etwas unterhalb dieses Niveaus.

Für Anleger heisst das: Sie investieren in eine Private-Debt-Anlage mit einer Illiquiditätsprämie und zusätzlichen Renditeaufschlägen für Engagements in Schwellen- und Transformationsländern. Im Portfolio ergänzt eine solche Position klassische Staats- und Unternehmensanleihen, sie ist aber nicht mit einer täglich handelbaren Benchmark-Anleihe vergleichbar.

Welche Rolle können die Tranchen in Schweizer Franken in einem Portfolio spielen?

Für Schweizer Investoren ist es häufig naheliegend, einen Teil des Portfolios in der Referenzwährung Franken zu halten. Vor diesem Hintergrund emittieren wir im Rahmen des Fonds regelmässig Anleihen in Schweizer Franken mit Laufzeiten von 11 bis 48 Monaten. Die Coupons für neue Emissionen in Schweizer Franken bewegen sich innerhalb der genannten Bandbreiten.

In der Asset Allokation werden diese CHF-Tranchen in der Regel so behandelt wie die übrigen Anleihen von ALTERNATIVE. Für viele Investoren dienen sie dazu, ein Engagement in Mikrofinanz in ein Portfolio in Franken einzubetten. Das Währungsrisiko gegenüber den Kreditnehmern in den Zielmärkten wird auf Ebene der Struktur durch ein aktives Management der Fremdwährungen gesteuert.

Wie stellen Sie sicher, dass das Kreditrisiko in den Portfoliogesellschaften beherrschbar bleibt?

Ausgangspunkt ist eine konservative Kreditvergabe. Die lokalen Gesellschaften finanzieren produktive Investitionen kleiner Unternehmen, nicht den Konsum. Nur ein Teil der Anfragen führt tatsächlich zu einer Kreditbewilligung. Die Kredite sind im Durchschnitt zu rund 130 Prozent besichert. Dabei werden bereits Abschläge von rund 20 Prozent auf den Marktwert der Sicherheiten berücksichtigt. Als Sicherheiten dienen vor allem Immobilien, Land, Maschinen, Fahrzeuge und andere betriebliche Vermögenswerte.

Hinzu kommt die Nähe zu den Kreditnehmenden. Die Teams vor Ort kennen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betriebe aus eigener Anschauung und können Entwicklungen im laufenden Geschäft beobachten. Fällt ein Kredit in Verzug, werden zunächst Restrukturierungen oder Stundungen geprüft und Lösungen gesucht, die den Betrieb wieder tragfähig machen.

Erst wenn dies nicht möglich ist, werden Sicherheiten verwertet. Auf Ebene der Gesamtstruktur steuern wir Fälligkeiten und Liquidität so, dass die erwarteten Cashflows aus den Kreditbüchern die Verpflichtungen gegenüber den Bondinvestoren mit einem Puffer übersteigen. Als Zielgrösse planen wir, dass für einen Euro an Zahlungsverpflichtungen zwischen rund 1,10 und 1,40 Euro an erwarteten Rückflüssen aus den Kreditportfolios gegenüberstehen.

Impact-Aspekte sind für viele Schweizer Institutionelle ein Thema. Was können Sie hier nachweisen?

Im Jahr 2024 haben die von uns finanzierten Gesellschaften rund 175 000 Kleinst- und Kleinunternehmer erreicht. Ein grosser Teil dieser Kundinnen und Kunden lebt in ländlichen Regionen, ein spürbarer Anteil sind Frauen. Das Kreditvolumen verteilt sich vor allem auf Landwirtschaft, Handel, Transport, Bau, Dienstleistungen, Gesundheit und Bildung.

Um diese Ergebnisse nachvollziehbar zu machen, veröffentlichen wir einen jährlichen Impact Report mit Kennzahlen zu Kundensegmenten, Regionen und qualitativen Entwicklungen, zum Beispiel zur Einkommenssituation oder zur Stabilisierung von Betrieben. Darüber hinaus sind wir Mitglied im European Microfinance Network. Dieses Netzwerk bringt Mikrofinanzanbieter und Fachinstitutionen in Europa zusammen und fördert den Austausch von Erfahrungen und Branchenstandards.

Ausserdem haben wir die Operating Principles for Impact Management unterzeichnet. Diese Prinzipien bilden einen international genutzten Rahmen dafür, wie Impact-Investitionen geplant, umgesetzt und überwacht werden. Ergänzend arbeiten wir mit europäischen Entwicklungsinstitutionen und Förderinstitutionen zusammen. Ziel ist, Wirkung und Risiko für professionelle Anleger nachvollziehbar und vergleichbar zu halten.

Abschliessend gefragt, welche Rolle kann Mikrofinanz in den nächsten Jahren in der strategischen Asset Allokation spielen?

Weltweit besteht weiterhin eine Finanzierungslücke für kleinere Unternehmen, insbesondere in Schwellen- und Transformationsländern. Gleichzeitig zeigen Kennzahlen der Branche, dass sich Portfoliorenditen und Ausfallquoten in den vergangenen Jahren insgesamt stabil entwickelt haben.

Für professionelle Anleger rückt Mikrofinanz damit stärker in den Fokus, wenn es um den Teil des Portfolios geht, der mit einem längeren Anlagehorizont versehen werden kann. Wer bereit ist, für diesen Teil auf tägliche Handelbarkeit zu verzichten, kann im Gegenzug laufende Zinszahlungen aus vielen kleineren Unternehmenskrediten erzielen. Ob und in welchem Umfang das sinnvoll ist, hängt vom Mandat, vom Risikobudget und vom bestehenden Engagement in Schwellen- und Transformationsländern ab. Wichtig ist, dass die Strategie klar definiert und transparent dokumentiert ist, damit sie sich langfristig in die Gesamtallokation einordnen lässt.

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