«COP30: Privates Kapital und KI für den Klimaschutz nutzen»

14.11.2025 10:32

«Um die für den Klimaschutz erforderlichen 1,3 Billionen US-Dollar zu mobilisieren, wird viel privates Kapital gebraucht. Und auch KI kann, abgestimmt auf die Klimaziele, eine wichtige Rolle spielen», schreibt Sarah Peasey, Head of Europe Sustainable Investing bei Neuberger Berman.

Sarah Peasey, Head of Europe Sustainable Investing bei Neuberger Berman. (Bild pd)
Sarah Peasey, Head of Europe Sustainable Investing bei Neuberger Berman. (Bild pd)

Die Entscheidung für Belém wurde als historisch gelobt – die Verhandlungen finden im Amazonasgebiet statt. Viele Teilnehmer wohnen aber in São Paulo. Hier gibt es bessere Hotels, Konferenzzentren und Flugverbindungen, und hier lassen sich leichter grosse Finanzierungsforen abhalten. Faktisch findet die offizielle Konferenz also an einem anderen Ort statt als die privaten Investorentreffen.

Der Investitionsbedarf ist in der Tat gross: Um das 1,5°C-Ziel noch einzuhalten, müssen jährlich etwa 4 Billionen US-Dollar für den Klimaschutz bereitgestellt werden. Aber Kapital ist endlich, und die wichtigste Frage bleibt, wer das alles bezahlen soll. Da es um die Staatshaushalte nicht gut steht und die Länder unterschiedlich finanzkräftig sind, spricht viel für mehr private Finanzierungen. Auffällig ist, dass weltweit mehr grüne Investitionen gefordert werden, obwohl die Politik sie nicht immer unterstützt. In den USA wurden entsprechende Anreize sogar zurückgefahren.

Vor diesem Hintergrund befürchtet Neuberger Berman, dass die Zweiteilung von COP30 – die Politik trifft sich in Belém, viele private Investoren im fast 3 000 Kilometer entfernten São Paulo – noch grössere Koordinationsprobleme verursacht. Um das nötige Geld zu mobilisieren, braucht man konkretere Pläne, Mischfinanzierungen und eine Regulierung, die private Investitionen anzieht.

Klimaanpassung weltweit

COP30 kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem immer mehr Klimafolgen sichtbar werden und die Anpassung an den Klimawandel immer wichtiger wird. Es geht also nicht mehr nur um den Klimaschutz, sondern auch darum, wie Länder, Städte und Gemeinschaften mit Extremwetterereignissen und klimabedingten Problemen umgehen.

Erwartet wird, dass das Anpassungsziel aus der Pariser Klimavereinbarung auf der COP30-Konferenz finalisiert wird. Man will Indikatoren und Ziele festlegen und sich etwa auf ein weltweites Frühwarnsystem und eine klimaresistente Landwirtschaft verständigen. Das Ziel ist messbarer gemeinsamer Fortschritt. Für Investoren ist die Klimaanpassung eine viele Billionen Dollar schwere Anlagechance. Weltweit müssen sich Länder auf Extremwetterereignisse infolge der Erderwärmung einstellen.

Gerade erst traf Melissa, ein Hurrikan der Kategorie 5, auf die jamaikanische Küste – mit Windgeschwindigkeiten von 280 km/Stunde, einer fast vier Meter hohen Sturmflut und katastrophalen Überschwemmungen. Andere kleine karibische Inselstaaten sind genauso anfällig. Immer häufiger wird daher gefordert, dass COP30 Massnahmen zur Klimaanpassung und Wiederaufbauprogramme beschliesst. Dabei sind auch die Industrieländer nicht vor den Klimafolgen gefeit. Etwa 36 Prozent des amerikanischen Wirtschaftswachstums in diesem Jahrhundert kann mit Ausgaben für den Wiederaufbau nach Katastrophen oder der Vorbereitung auf künftige Katastrophen erklärt werden, schreibt Bloomberg Intelligence.

Worauf man achten muss: Wird ein glaubwürdiges weltweites Klima-anpassungsziel mit aussagekräftigen Indikatoren formuliert? Machen die Mobilisierung von Kapital sowie die Berücksichtigung von Klimarisiken bei Investitionen, Planung und Berichterstattung echte Fortschritte?

Emissionen in China fallen früher als gedacht

2025 ist ein entscheidendes Jahr für die Klimapolitik: Die 195 Unterzeichner der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) müssen aktualisierte nationale CO2-Minderungsziele (NDCs) bis 2035 vorlegen. Nur wenige Länder haben den ursprünglichen Zeitplan eingehalten. Aber der wachsende Druck der EU hat fast 100 Länder dazu gebracht, neue Ziele zu signalisieren, allen voran China. Die chinesischen Treibhausgasemissionen sollen bis 2035 um netto 7 bis 10 Prozent unter den Höchststand fallen. Auf den ersten Blick scheint das wenig, wären für das 1,5 Grad-Ziel doch 20 bis 30 Prozent nötig. Dennoch ist es ein wichtiger Schritt von intensitätsbasierten zu absoluten Zielen.

Auffällig ist auch Pekings Rhetorik. Man will «besser werden». Oft beschränkt sich China auf konservative Ziele, die dann übertroffen werden. So wollte das Land 1200 GW Strom mit erneuerbaren Energien produzieren, ein Ziel, das bereits sechs Jahre früher erreicht wurde als geplant, nämlich 2024. Vermutlich werden die Emissionen schon dieses Jahr fallen und nicht erst 2030, also fünf Jahre früher als zugesagt.

Die vielen neuen NDCs – vor allem das chinesische Ziel – werden bestimmen, wie glaubwürdig und ehrgeizig die Klimapolitik im nächsten Jahrzehnt sein wird und wie viel weltweit investiert wird. Worauf man achten muss: Wie glaubwürdig sind Klimaziele und Umsetzungspläne? Wird COP30 stärkere NDCs für 2035 formulieren, die dann auch Investitionen ermöglichen – mit klareren Sektor- und Umsetzungszielen sowie Berichtspflichten?

Umfangreiche Mobilisierung von Kapital

Auf der COP30-Konferenz wird erneut die Klimaschutzfinanzierung im Mittelpunkt stehen. Nach den Investitionszusagen der Industrieländer in Höhe von 300 Milliarden US-Dollar jährlich auf der COP29-Konferenz – deutlich weniger als die bis 2030 benötigten gut 1 Billion US-Dollar – haben sich die Verhandler jetzt ein ehrgeiziges 1,3-Billionen-Dollar-Ziel für alle Akteure gesetzt, auch unter Berücksichtigung des Investitionsbedarfs der Entwicklungsländer.

Brasilien ist jetzt einer der Führer der «Baku-to-Belém Roadmap». Ziel ist, bis 2035 1,3 Billionen US-Dollar zu mobilisieren, auch mit neuen Finanz-Instrumenten. Die Kapitalausstattung internationaler Entwicklungsbanken soll verbessert werden, und man will Investoren aktiv einbinden. Das passt zu der Einschätzung der Politik, dass öffentliche Mittel allein nicht reichen. Die Finanzierung soll «neu ausgerichtet» werden, damit mehr privates Kapital in die Emerging Markets fliesst.

Parallel dazu setzen sich grosse Gläubiger von Emerging-Market-Anleihen (einschliesslich Neuberger Berman, für seine Kunden) für Klauseln ein, die Zahlungsmoratorien bei Katastrophen vorsehen. Die Länder können dann ihre Zinszahlungen (nach einer Naturkatastrophe, einer Pandemie oder einem Krieg) für bis zu ein Jahr aussetzen. Hinzu kommen weitere Gläubigerschutzklauseln und Transparenz nach karibischem Vorbild. Eine ähnliche Klausel wurde nach dem Hurrikan in Grenada 2024 ausgelöst.

All das spricht für Pragmatismus auf der COP30-Konferenz: Ziel sind verlässliche, stabile Kapitalströme in grossem Umfang. Zugleich soll in einer Welt mit Klima- und Konjunkturschocks die Stabilität der Staatsfinanzen gewährleistet werden.

KI – aber gleichgewichtig

Bei COP30 steht die Verbindung von KI und Klimaschutz auf der Tagesordnung. Rechnen Sie damit, dass beschleunigte Genehmigungsverfahren für saubere Energiequellen in der Nähe von Datenzentren, der koordinierte Netzausbau und glaubwürdige Standards für grüne IT gefordert werden. Ziele sollen ausreichend saubere Energie für Datenzentren, die jederzeitige Verfügbarkeit CO2-freier Energie und die Messung zusätzlicher Emissionen sein.

KI wird dabei zu einem wichtigen Instrument für die Anpassung an den Klimawandel – für Frühwarnsysteme, die Entdeckung von Waldbränden, die Erfassung von Überschwemmungen und Ernteprognosen.

Durch geeignete Indikatoren können diese Zahlen direkt mit den weltweiten Klimaanpassungszielen verknüpft werden. Der wachsende Strombedarf von KI kann bewirken, dass privates Kapital für saubere Energie und den Netzausbau mobilisiert wird. Das kann über Stromlieferverträge mit Hyperscalern, Verträge über die Bereitstellung von Kapazitäten und Mischfinanzierungen für Netze geschehen. Die Investoren werden genau darauf achten, wie die NDCs und die COP30-Ergebnisse zu konkreten Investitionsplänen führen.

Sehr viel Energie ist nötig

Und doch bleiben Herausforderungen: Schon jetzt nutzen Datenzentren schätzungsweise etwa 1 bis 2 Prozent der weltweiten Stromkapazitäten. Bis 2030 könnte der Strombedarf gegenüber 2023 um etwa 165 Prozent wachsen. KI-Modelle für den Echtzeitbetrieb (Inferenzsysteme) dürften die Stromnachfrage auch dann steigen lassen, wenn das Training der Modelle effizienter wird. In amerikanischen Hotspots sind die Stromrechnungen der Haushalte bereits stark gestiegen.

Das grösste derzeit im Bau befindliche Datenzentrum dürfte etwa so viel Energie verbrauchen wie mehr als zwei Millionen Haushalte. Da über 50 davon in den USA in Planung sind, wird eine zusätzliche, zuverlässige CO2-arme Stromversorgung unverzichtbar sein.

Angesichts der starken Unterstützung der US-Regierung dürften auch modernere Kernkraftwerke (einschliesslich kleiner modularer Reaktoren) zu einer 24 Stunden am Tag verfügbaren Stromquelle ohne CO2-Ausstoss werden, die den wachsenden und kontinuierlichen Energiebedarf von KI und Datenzentren abdeckt. Auch Kernkraft kann effizientere Netze, eine verlässlichere Stromversorgung und Dekarbonisierung ermöglichen.

Der echte Test für COP30 ist aber, ob die Regierungen den Ausbau der Digitaltechnik mit dem Klimaschutz vereinbaren können. Gefragt ist ein Gleichgewicht zwischen Finanzierbarkeit, Verlässlichkeit und Dekarbonisierung. Zugleich sollte KI für eine bessere Anpassung an den Klimawandel genutzt werden.

Die «Umsetzungskonferenz»

Mit dem Beginn von COP30 fragt man sich immer häufiger, ob dieses Format weiterhin für einen wirksamen Klimaschutz sorgen kann. Prominente wie Bill Gates gehen sogar noch weiter: Der Klimaschutz sei ein ernstes Problem, so das Argument. Aber die grösseren Probleme für Länder mit mittleren und niedrigen Einkommen seien Krankheiten, Produktivität in der Landwirtschaft sowie die wirtschaftliche Entwicklung. Gates drängt darauf, den Schwerpunkt zu verlagern – hin zu einer wirtschaftlichen Entwicklung, die die Klimaanpassung verbessert und stärker vor Erderwärmung schützt. Die Emissionssenkung sollte ebenso gefördert werden wie Massnahmen zur Anpassung, die den Lebensstandard unmittelbar verbessern.

Trotz jahrelanger Verhandlungen bleibt die Lücke zwischen Klimazielen und echten Zusagen. Offensichtlich gibt es noch immer ein Missverhältnis zwischen den Erklärungen auf Gipfeltreffen und den tatsächlichen Entwicklungen. Eine weniger klimafreundliche Politik mit der Folge, dass sich grosse CO2-Emittenten aus Vereinbarungen zurückziehen und nicht über ihren CO2-Ausstoss informieren, macht koordinierte Maßnahmen noch schwieriger.

«COP30 betont, dass die Umsetzung oft wichtiger ist als ehrgeizige Ziele. Vielleicht bewirkt das echten Wandel. Aber das zeigt auch, wo die wahren Herausforderungen liegen: Kann die internationale Klimadiplomatie wirklich so schnelle Fortschritte erzielen, wie es die Klimakrise erfordert?», fragt sich Peasey.

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